Über ein Sym­po­sium zur Öko­no­mie der Skla­ve­rei, Aus­beu­tungs­ver­hält­nisse und Ent­wick­lungs­pfade sowie die Gemein­sam­kei­ten von Joan Robin­son und Karl Marx.

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Wie wahr­schein­lich viele von Ihnen habe ich mich sehr gefreut, als ich das Inhalts­ver­zeich­nis der jüngs­ten Aus­gabe des Jour­nal of Eco­no­mic Per­spec­ti­ves (JEP) erhielt, das in der Regel aus­ge­wählte Bei­träge oder Abschnitte zu bestimm­ten The­men ent­hält, die für Öko­no­men von all­ge­mei­nem Inter­esse sind. Nor­ma­ler­weise spie­gelt das JEP eher die Vor­lie­ben und Inter­es­sen des durch­schnitt­li­chen Main­stream-Öko­no­men wider, aber die­ses Mal war es etwas anders, denn die aktu­elle Aus­gabe ent­hält nicht nur ein sehr aktu­el­les und inter­es­san­tes Sym­po­sium über die „Öko­no­mie der Skla­ve­rei“, son­dern auch einen sehr guten Bei­trag von Caro­lina Alves von der Uni­ver­si­tät Cam­bridge über die kri­ti­sche und pro­duk­tive Aus­ein­an­der­set­zung von Joan Robin­son mit den Wer­ken von Marx. Ich gebe zu, das hatte ich nicht erwar­tet, und mehr sol­cher Initia­ti­ven in füh­ren­den Main­stream-Zeit­schrif­ten könn­ten sicher­lich zu einem Wan­del inner­halb der Dis­zi­plin beitragen.

Hete­ro­dox Eco­no­mics Newsletter

Der Hete­ro­dox Eco­no­mics News­let­ter wird her­aus­ge­ge­ben von Jakob Kapel­ler und erscheint im drei­wö­chent­li­chen Rhyth­mus mit Neu­ig­kei­ten aus der wis­sen­schaft­li­chen Com­mu­nity mul­ti­pa­ra­dig­ma­ti­scher öko­no­mi­scher Ansätze. Der News­let­ter rich­tet sich an einen Kreis von mehr als 7.000 Empfänger*innen und zählt schon weit mehr als 250 Ausgaben.

Gleich­zei­tig war ein sol­cher Schritt schon lange über­fäl­lig. Einer­seits sind die Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten dafür bekannt, dass sie die pfad­ab­hän­gi­gen Eigen­schaf­ten der bestehen­den wirt­schaft­li­chen Schich­tung inner­halb von Regio­nen, Natio­nen und der Welt nur ungern dis­ku­tie­ren. Eine Ände­rung in die­ser Hin­sicht und eine offe­nere Betrach­tung der Tat­sa­che, dass die heu­ti­gen Dis­kre­pan­zen bei Wohl­stand und Chan­cen in vie­len Fäl­len auf his­to­ri­sche Wur­zeln zurück­ge­hen, die mit Zwangs­ar­beit und ande­ren Grau­sam­kei­ten unse­rer Ver­gan­gen­heit zu tun haben, würde uns gut tun, die Dinge in einen ange­mes­se­nen Kon­text zu stel­len. Ande­rer­seits wer­den alter­na­tive theo­re­ti­sche Per­spek­ti­ven allzu oft auf­grund von blo­ßen Vor­ur­tei­len aus­ge­schlos­sen, und jede Ände­rung in die­ser Hin­sicht ist eben­falls zu begrüßen.

Auch wenn ich die Bei­träge wahr­schein­lich noch nicht sorg­fäl­tig genug gele­sen habe, ist mein ers­ter Ein­druck, dass sie das Ver­spre­chen ein­lö­sen. Das Sym­po­sium ist, obwohl es sich haupt­säch­lich auf die USA kon­zen­triert, sehr auf­schluss­reich und hat mich eini­ges dar­über gelehrt, wie man über die „Black Eco­no­mic History“ denkt, wie man quan­ti­ta­tiv über die For­de­rung nach Repa­ra­tio­nen im Zusam­men­hang mit den „Kos­ten des Ras­sis­mus“ nach­denkt und wie man den wirt­schaft­li­chen „Bei­trag“ der Skla­ve­rei bewer­tet. Was Letz­te­res betrifft, so stim­men die Erkennt­nisse der Sym­po­sien mit dem all­ge­mei­nen Ein­druck über­ein, dass die Skla­ve­rei nicht nur unter dem Gesichts­punkt der Men­schen­würde ver­ab­scheu­ungs­wür­dig ist, son­dern auch ein unzu­läng­li­ches Instru­ment zur Schaf­fung von Wohl­stand dar­stellt. Wie so oft in his­to­ri­schen Stu­dien zei­gen die Ergeb­nisse, dass Zwangs­ar­beit der Inno­va­tion und Diver­si­fi­zie­rung der Wirt­schaft abträg­lich ist, da die Kon­zen­tra­tion auf den Ren­ten­ex­trak­tion für die­je­ni­gen, die besit­zen und bestra­fen, von mög­li­chen Mög­lich­kei­ten zur Pro­duk­ti­vi­täts­stei­ge­rung ablenkt und wenig Raum und schwa­che Anreize für das Expe­ri­men­tie­ren mit neuen Tech­no­lo­gien lässt.

Die letzt­ge­nannte Beob­ach­tung, dass Macht­ver­hält­nisse und der Grad der Aus­beu­tung Schlüs­sel­va­ria­blen für die Gestal­tung der Ent­wick­lungs­pfade von Volks­wirt­schaf­ten sind, ist somit eine zen­trale Erkennt­nis, die mit einer von Marx inspi­rier­ten Sicht­weise der Wirt­schafts­ge­schichte ver­bun­den ist. Die­ser letzte Punkt stimmt auch gut mit Caro­li­nas Auf­satz über­ein, in dem betont wird, dass ein Schlüs­sel­aspekt, der Marx für Robin­son intel­lek­tu­ell attrak­tiv machte, ihre Intui­tion war, dass seine Dar­stel­lung eine schär­fere und prä­zi­sere Bewer­tung der Rolle von Ver­tei­lungs­fra­gen in wirt­schaft­li­chen Ana­ly­sen ermög­licht. Ich muss zuge­ben, dass ich diese Intui­tion mit Joan teile. ;-)

Alles Gute für Sie,

Jakob
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PS: In die­sem Zusam­men­hang sei auch auf den „Call for Papers“-Bereich die­ser Aus­gabe ver­wie­sen, der zwei ver­wandte Auf­for­de­run­gen zu „Black Repa­ra­ti­ons“ und „Class, Race and Place in the US South“ enthält.

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