Geplante Off­line-Ver­an­stal­tun­gen und ein ver­scho­be­ner wis­sen­schaft­li­cher Kon­sens erhel­len die Aus­sich­ten. Tra­di­tio­nelle Ansich­ten und ein feh­len­der posi­ti­ver Bezug zur Hyte­rese trü­ben das Licht, regen jedoch ver­tiefte For­schung an. 

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Nach eini­gen Mona­ten, in denen wir haupt­säch­lich Online-Ver­an­stal­tun­gen bewor­ben haben, sind in den letz­ten Wochen immer mehr Calls for Papers und Ver­an­stal­tun­gen auf­ge­taucht, die pro­ak­tiv Off­line-Ver­an­stal­tun­gen ankün­di­gen. Sicher­lich sind diese Ankün­di­gun­gen etwas gewagt, aber für mich sind sie ein Zei­chen der Hoff­nung. Immer­hin – und unge­ach­tet der Lek­tio­nen, die wir aus dem erzwun­ge­nen Online-Arbeits­mo­dus gelernt haben – ist Corona hier, um zu blei­ben, so dass wir wahr­schein­lich gut bera­ten sind, damit zu expe­ri­men­tie­ren, wie wir das Come­back wis­sen­schaft­li­cher Tref­fen unter ange­mes­se­nen Bedin­gun­gen orga­ni­sie­ren können.

Hete­ro­dox Eco­no­mics Newsletter

Der Hete­ro­dox Eco­no­mics News­let­ter wird her­aus­ge­ge­ben von Jakob Kapel­ler und erscheint im drei­wö­chent­li­chen Rhyth­mus mit Neu­ig­kei­ten aus der wis­sen­schaft­li­chen Com­mu­nity mul­ti­pa­ra­dig­ma­ti­scher öko­no­mi­scher Ansätze. Der News­let­ter rich­tet sich an einen Kreis von mehr als 7.000 Empfänger*innen und zählt schon weit mehr als 250 Ausgaben.

Ein wei­te­res Zei­chen der Hoff­nung kommt die­ser Tage aus einer neuen Umfrage zum „wis­sen­schaft­li­chen Kon­sens“ in den Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten, aus der her­vor­geht, dass sich der*die durch­schnitt­li­che Wirtschaftswissenschaftler*in in den letz­ten Jah­ren in Rich­tung hete­ro­do­xer poli­ti­scher The­sen bewegt hat: Es besteht nun ein „star­ker Kon­sens“ dar­über, dass Ungleich­heit schäd­lich für Sta­bi­li­tät und Wachs­tum ist, dass der Kli­ma­wan­del eine echte Gefahr für die Mensch­heit dar­stellt, dass die Aus­wir­kun­gen des Min­dest­lohns in der Rea­li­tät anders sind als in den Lehr­bü­chern beschrie­ben, und dass die Steu­er­po­li­tik ein geeig­ne­tes Instru­ment zur Sta­bi­li­sie­rung der Wirt­schaft und zur För­de­rung des lang­fris­ti­gen Wachs­tums ist. Diese Ver­än­de­run­gen deu­ten nicht nur dar­auf hin, dass die empi­ri­sche Wende auf lange Sicht gele­gent­lich einen Unter­schied machen kann (dies scheint beim Min­dest­lohn der Fall zu sein), son­dern auch dar­auf, dass der*die durch­schnitt­li­che Wirtschaftswissenschaftler*in bereit ist, eine prag­ma­ti­schere Hal­tung zu poli­ti­schen Fra­gen ein­zu­neh­men, bereit ist, sich an das zu hal­ten, was not­wen­dig ist oder was funk­tio­niert (anstatt dar­auf zu bestehen, wirt­schaft­li­che Pro­zesse wei­ter umzu­ge­stal­ten, um sie bes­ser an die Lehr­buch­be­schrei­bun­gen anzupassen).

Wenn nun jemand hin­zu­fü­gen möchte, dass diese Ver­än­de­run­gen nur ein mini­ma­les Maß an Ver­nunft im Main­stream dar­stel­len, das ohne­hin längst über­fäl­lig war, und dass der Enthu­si­as­mus daher etwas unan­ge­bracht ist, so will ich dem nicht wider­spre­chen. Aber es könnte immer noch schlim­mer sein, und ich, uner­bitt­lich opti­mis­tisch wie ich bin, freue mich über jede Ver­än­de­rung in die rich­tige Richtung ;-).

Unge­ach­tet die­ser guten Nach­rich­ten deu­tet ein genaue­rer Blick auf die Ergeb­nisse auf eine hart­ge­sot­tene, aber immer noch beträcht­li­che Min­der­heit hin, die stär­kere, tra­di­tio­nel­lere Ansich­ten ver­tritt; so glaubt etwa ein Drit­tel der befrag­ten Ökonom*innen immer noch, dass eine Erhö­hung des Min­dest­lohns die Arbeits­lo­sig­keit erhö­hen wird, wäh­rend 15 % immer noch glau­ben, dass der Kli­ma­wan­del keine Risi­ken für die US-Wirt­schaft dar­stellt. Sol­che „radi­ka­len Min­der­hei­ten“ sind nicht zu igno­rie­ren, wie der deut­sche Fall zeigt: In einem kürz­lich erschie­ne­nen Paper zei­gen wir, dass sich die poli­ti­schen Ansich­ten der durch­schnitt­li­chen Ökonom*innen in Deutsch­land und den USA zwar nicht wesent­lich unter­schei­den, dass aber die Selek­ti­ons­me­cha­nis­men für Poli­tik ganz anders funk­tio­nie­ren und dass in Deutsch­land eine Ver­zer­rung besteht, die genau sol­che hart­ge­sot­te­nen Min­der­hei­ten begüns­tigt, was zum Teil die strik­tere wirt­schafts­po­li­ti­sche Hal­tung Deutsch­lands erklärt.

Zum Schluss noch einen fun fact: Von 46 poli­ti­schen Vor­schlä­gen gibt es nur einen, bei dem „kein Kon­sens“ erzielt wurde. Diese „strit­tigste Frage“ bezog sich auf die Frage der Hys­te­rese oder, all­ge­mei­ner aus­ge­drückt, auf die Kal­dor-Ver­doorn-Effekte. Kon­kret wurde in der Umfrage vor­ge­schla­gen, dass „Ände­run­gen der agg­re­gier­ten Nach­frage das reale BIP kurz­fris­tig, aber nicht lang­fris­tig beein­flus­sen“, was auf unter­schied­li­che Ant­wor­ten stieß. Es scheint, dass wir mehr For­schung zu die­sem Thema betrei­ben soll­ten, um etwas mehr Klar­heit und Kon­sens in die Dis­zi­plin zu bringen ;-).

Alles Beste und machen Sie wei­ter mit Ihrer guten Arbeit,

Jakob
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