Ein maßgeblicher Treiber der Ungleichheit in Deutschland ist der Rückgang der Besteuerung hoher Vermögen. Eine Analyse der Medienberichterstattung zur Erbschaftsteuer gibt nun Hinweise dafür, wie Steuersenkungen öffentlich kommentiert und legitimiert werden.
eit der Jahrtausendwende wurde die politische Landschaft Deutschlands von einer Kette an Krisenereignissen erschüttert, die bestehende Schwachpunkte und Fehlentwicklungen unseres Gesellschaftssystems schonungslos offengelegt haben. Besonders ärmere Bevölkerungsteile wurden durch die Krisen stark beeinträchtigt – die soziale Frage rückte wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
Die wirtschaftliche und politische Dauerkrise trifft dabei auf eine ohnehin seit Jahrzehnten wachsende Ungleichheit in unserer Gesellschaft und verschärft diese zusätzlich. Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Hinzu kommen massive Herausforderungen, etwa durch die sozial-ökologische Transformation, die Digitalisierung und die Sanierung von öffentlicher Infrastruktur, des Bildungs- und Gesundheitswesens.
Der Autor
Moritz Gartiser ist Doktorand im Promotionskolleg „Politische Ökonomie der Ungleichheit“. Seine Schwerpunkte: Steuerwissen, steuerpolitischer Diskurse und ungleiche Machtverhältnisse innerhalb der deutschen Medienlandschaft.
Die Finanzierung solcher staatlichen Maßnahmen ist jedoch durch klamme öffentliche Kassen und gesetzlich verankerte Verschuldungsregeln deutlich eingeschränkt. Alle zusammen – Ungleichheit, Investitionsbedarf und Finanzierungslücken – rücken daher die staatliche Einnahmeseite gleich mehrfach in den Fokus: Zum einen können Finanzierungslücken teilweise durch Mehreinnahmen bei der Steuer ausgeglichen werden. Zum anderen kann das Design staatlicher Steuerpolitik diese entweder zum Treiber wachsender Ungleichheit machen – oder aber als wichtiges Instrument für deren Eindämmung etablieren.
Das deutsche Steuersystem hat an Progressivität verloren
In Deutschland hat die Progressivität des Steuersystems seit den 1990er Jahren durch mehrere Steuerreformen systematisch abgenommen (Bach et al. 2017). So kam es sowohl zu einer Abnahme der Unternehmensteuer, einer Senkung der Höchstsätze der Einkommensteuer und zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer.(Bach 2019) Hinzu kommt, dass besonders die Besteuerung von Vermögenswerten in Deutschland nahezu unbedeutend ist (Bach et al. 2017). Die Aussetzung der Vermögensteuer 1996 sowie großzügige Ausnahmeregelungen bei der Erbschaftsteuer v.a. für Unternehmenserbschaften sorgen dafür, dass besonders hohe Vermögen praktisch von der Steuer ausgenommen werden.
Serie Ungleichheit und Macht
Die wachsende gesellschaftliche Ungleichheit ist eines der bedeutendsten Probleme unserer Zeit. Zugleich steigt das wissenschaftliche Interesse und liefert neue Erkenntnisse mit Blick auf die drängendsten Fragen und Antworten zu verschiedenen Dimensionen der Ungleichheit und ihren zugrundeliegenden Machstrukturen.
Für die Debattenreihe „Ungleichheit und Macht“ haben Doktorand:innen aus dem Promotionskolleg „Politische Ökonomie der Ungleichheit“ am Institut für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen diese neuen Erkenntnisse aufgeschrieben. In den Beiträgen stellen die Promovierenden, die von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert werden, Teilergebnisse ihrer Forschung vor und diskutieren verbundene gesellschaftliche Herausforderungen sowie politische Handlungsoptionen. Mit dem Fokus auf Ungleichheitsdimensionen und zugrunde liegenden Machtverhältnissen reicht der thematische Bogen von Armut und Besteuerung bis zu Arbeitsmarkt‑, Gleichstellungs- oder Klimapolitik. Durch die thematischen Breite und Vielfalt der eingesetzten Methoden stoßen die Autor:innen eine weiterführende gesellschaftliche Debatte darüber an, wie der steigenden Ungleichheit begegnet werden kann.
Die Reihe erscheint in regelmäßigen Abständen zwischen April und Juni 2023 im Makronom. Hier im ifsoblog dokumentieren wir die Serie anschließend ebenfalls.
Innerhalb Europas ist Deutschland so zu einem Land avanciert, welches eine der höchsten Konzentrationen von Einkommen und Vermögen aufweist (Neef & Chancel 2022). Besonders letztere zeigt frappierende Effekte: Fast die Hälfte der gesamten intergenerationalen Transfers gehen an die vermögendsten 10%, die unteren 50% der Bevölkerung gehen dagegen mit insgesamt ca. 10% der Erbschaften und Schenkungen praktisch leer aus (Baresel et al. 2021).
Die öffentliche Meinung ist für eine steuerliche Umverteilung
Diese Entwicklung ist zunächst verblüffend, da die überwiegende Mehrheit der Wahlbevölkerung von einer progressiven Besteuerung profitieren würde. Auch die öffentliche Wahrnehmung spiegelt das wider: Es gibt sowohl eine generelle Akzeptanz in der Bevölkerung über die Notwendigkeit von Steuern für den gesellschaftlichen Zusammenhalt (Bandau et al. 2017), als auch eine stabile und nachhaltige Mehrheit für eine umverteilende wirkende Steuerpolitik (Ebbinghaus & Naumann 2018).
Jedoch wird diese gesellschaftliche Haltung offensichtlich nicht politisch umgesetzt. Die Kluft zwischen öffentlicher Meinung auf der einen Seite und einer gegenläufigen politischen Entscheidungsfindung auf der anderen Seite deutet auf ernsthafte Probleme innerhalb des Prozesses der Politikformulierung hin. Die Erklärungsansätze hierfür gehen von Lobbying über Steuerwettbewerb hin zu einem Mangel an ökonomischem Wissen und einer widersprüchlichen Haltung der Bevölkerung gegenüber konkreten steuerpolitischen Vorhaben.
Tatsächlich ist die öffentliche Zustimmung zu konkreten Politikvorhaben wie der Wiedereinführung der Vermögensteuer oder der konsequenten Erhebung der Erbschaftsteuer weit weniger eindeutig, als es die abstrakte Zustimmung zu umverteilender Steuerpolitik vermuten ließe. Das mag an der grundlegend negativen Konnotation von Steuern (Schmid 2012), an mangelndem ökonomischen Wissen (Blaufus et al. 2020) sowie einer systematischen Verzerrung der Medienberichterstattung hin zu steueraversen Positionen liegen (Theine & Griesold 2022). Gleichzeitig zeigen Studien, dass Politiker:innen besonders aus dem linken politischen Spektrum Steuerthemen bewusst meiden, weil sie diese als „Verliererthema“ ansehen. Konkret heißt das, dass sie weder Vertrauen in die Ausgewogenheit der öffentlichen Debatte, ihre eigene Themenexpertise oder einen starken und beständigen Rückhalt der öffentlichen Meinung für umverteilende Steuerpolitik setzen (Fastenrath et al. 2021).
Medial vermitteltes Commonsense-Wissen als Erklärungsfaktor
Letzten Endes scheint es naheliegend, dass alle drei Faktoren zusammenhängen und im gesellschaftlichen Steuerdiskurs zum Ausdruck kommen: Welche Sprache, Vorstellungen und Assoziationen sich im Zusammenhang mit Steuern durchsetzen, unterliegt einem kommunikativen Aushandlungsprozess in der Öffentlichkeit. Gleichzeitig diktiert dieser öffentliche Diskurs auch, welche Wissensressourcen zur allgemeinen Verfügung stehen. Er bestimmt also diejenigen Ressourcen, die es ermöglichen, ein Thema einzuordnen, abzuwägen und zu beurteilen sowie letztlich eigene Handlungsoptionen aus diesem Abwägungsprozess abzuleiten. Die massenmediale Debatte bildet somit die gesellschaftliche Arena, in der gemeinsame Wissensressourcen – Commonsense-Wissen – eingeführt, durchgesetzt und verbreitet werden.
Doch wie sieht diese Debatte im Bereich Steuern eigentlich aus? Welche Bilder und Assoziationen von Steuern werden hier vermittelt? Und können diese gegebenenfalls die markante Lücke zwischen steuerpolitischen Präferenzen und konkreter Politik erklären?
Eine computergestützte Textanalyse auf Grundlage moderner quantitativer Methoden kann hier ein möglichst vollumfängliches Bild der Debatte liefern, die Argumentations- und Legitimationsrepertoires des deutschen Steuerdiskurses aufzeigen und so Rückschlüsse über deren Effekte ermöglichen. Im Falle der Erbschaftssteuerdebatte, die hier beleuchtet werden soll, wurde ein Datenkorpus mit ca. 5.200 Artikel aus 190 Zeitungen und Zeitschriften über einen Zeitraum von 21 Jahren (2000−2021) analysiert. Konkret werden dabei steuerpolitische Frames identifiziert – also Aussagen die eine bestimmte Problemdefinition hervorheben, ihre Ursachen bestimmen und darüber moralische Urteile fällen, bevor auf dieser Grundlage Lösungsstrategien entworfen werden (Entman 1993).,
Die identifizierten Frames wurden anschließend entsprechend ihrer steuerpolitischen Ausrichtung in fünf Kategorien eingeteilt: Frames, die eine konsequente Erbschaftsbesteuerung unterstützen (Gruppe 1), moderat positiv ausgerichtete Frames mit politisch-technischem Inhalt (Gruppe 2), Inhalte mit einer relativ ausgewogenen Diskussion sowohl positiver als auch negativer Frames (Gruppe 3), moderat steuerkritische Frames mit politisch-technischen Inhalten (Gruppe 4) und schließlich Frames, die klare Kritik an der Erbschaftsteuer ausdrücken (Gruppe 5).
Steuerkritische Berichterstattung dominiert
Wirft man nun also einen Blick auf das steuerpolitische Framing zum Thema Erbschaftsbesteuerung innerhalb der deutschen Medienlandschaft von 2000–2021, so kann man zunächst feststellen, dass ausführliche Besprechungen des deutschen Erbschaftsteuersystems und seiner gesellschaftlichen Implikationen im Mediendiskurs selten sind. Stattdessen dominieren Parteipolitik sowie regulatorische und juristische Details die Debatte.
Dennoch lässt sich das Bild von einer stark negativen Konnotation von Erbschaftsteuern bestätigen. Generell wird in der Berichterstattung über Besteuerungsthemen auf einen relativ begrenzten, zu großen Teilen negativ besetzen historischen Wortschatz zurückgegriffen. Das beginnt bei grundlegenden Gegenüberstellungen von der „Steuerlast“ auf der einen Seite und der „Befreiung“ oder „Verschonung“ von dieser auf der anderen Seite, geht über Worte wie „Enteignung“ oder „Sozialismus“ und gipfelt in Zuschreibungen der Steuer als „bürokratisches Monster“ oder „Axt“ an den Pfeilern der Wirtschaft. Positive Zuschreibungen von Steuern sind dagegen nicht vorhanden.
Neben der grundlegenden Konnotation von Besteuerung zeigt aber auch der Blick auf die identifizierten Steuerframes eine eindeutige Schlagseite hin zu steuerkritischem oder sogar ‑feindlichem Framing. Wie die folgende Abbildung zeigt, haben steuerkritische Frames (Gruppe 5) eine klare Diskursdominanz über den gesamten Untersuchungszeitraum, trotz einiger Schwankungen, die meist der politischen Konjunktur geschuldet sind.
Besonders die weitreichenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes trieben hier maßgeblich die Debatte (Bernert 2018). Die negativen Frames stützen sich dabei stark auf das Bild der Besteuerung als „Last“, welche sowohl im privaten wie auch im wirtschaftlichen Umfeld zum Tragen kommt. Im Privaten ist dabei besonders der Schutz eines moralisch verklärten „normalen“ Vermögens vor dem staatlichen Zugriff im Fokus (z.B. das „Familienhaus“ oder „Omas Häuschen“), verbunden mit der Forderung nach hohen Freibeträgen.
Relevanter als das privat ausgerichtete Argumentationsmuster sind aber Frames, die auf Unternehmenserbschaften bezogen werden. Das gilt besonders für das Framing der „existentiellen Gefährdung von mittelständischen, familiengeführten Unternehmen“ durch die erbschaftsteuerliche Belastung der im Unternehmen gebundenen Vermögen. Daran anschließend werden die Folgen der Erbschaftsbesteuerung dramatisch aufgezeichnet: „Investitionszurückhaltung“, „Ausverkauf“, Unternehmens-„Exodus“, „Arbeitsplatzverlust“ und „wirtschaftlicher Niedergang“ des Landes. Relevant sind auch Verweise auf den „Standort Deutschland“, der dem internationalen Steuerwettbewerb Rechnung tragen und die Erbschaftsteuer abschaffen sollte, um Betriebsabwanderungen und Kapitalflucht zu verhindern. Alternativ dazu wird auch die Einführung eines föderalen Steuerwettbewerbs durch die Regionalisierung der Erbschaftsteuer gefordert.
Der letzte relevante Frame handelt von der Komplexität und dem bürokratischen Aufwand der Erbschaftsteuer, verbunden mit Forderungen nach einer drastischen Vereinfachung (Stichwort „Bierdeckel“ oder „Flat Tax“) oder gleich der kompletten Abschaffung der Steuer.
Im Gegensatz dazu steht die geringe Prävalenz steuerpolitischer Frames, die sich für die Erbschaftsbesteuerung aussprechen (Gruppe 1). Tatsächlich sind diese vor 2008 praktisch nicht vorhanden und gewinnen auch danach nur allmählich an Relevanz in der Debatte. Auch hier scheint die steigende Aufmerksamkeit bestimmt zu sein von Kontextfaktoren wie der Finanzkrise ab 2008 und der Corona-Krise ab 2019.
Die starken gesellschaftlichen Verwerfungen der Krisen sind ohne Zweifel Katalysatoren für die bestehenden positiven Frames zur Erbschaftsteuer. Denn befürwortende Artikel zur Erbschaftsbesteuerung rekurrieren in ihrer Argumentation fast ausschließlich auf Kritik an den bestehenden Verhältnissen. Neben Steuerschlupflöchern und den Praktiken der „Steuergestaltung“ (z.B. durch Cash-GmbHs oder Stiftungswesen) und „Steuerhinterziehung“ wendet sich diese auch gegen steuerliche „(Über-)Privilegierungen“. In besonderem Maße stehen hier aber generelle Verteilungsfragen und wachsende gesellschaftliche Ungleichheiten im Mittelpunkt der Argumentationslinie. Damit verbunden werden grundsätzlichere moralische Problemstellungen wie die Frage nach sozialer Gerechtigkeit, Chancengleichheit und dem Leistungsprinzip (Erbschaft als „leistungsloses Einkommen“). Die positiven Frames können demnach mit den Überbegriffen „(Un-)Gerechtigkeit“ und „Ungleichheit“, „Missbrauch“ und „Leistung“ umfasst werden.
Positive Berichterstattung bleibt abstrakt
Im Vergleich steuerkritischer und steuerbefürwortender Frames fällt zunächst das starke Ungleichgewicht beider Positionen im steuerpolitischen Diskurs auf. Sowohl bezogen auf die Relevanz in der steuerpolitischen Berichterstattung als auch in Bezug auf die Diversität, Anzahl und Verständlichkeit des jeweiligen Framing-Repertoires sind die steuerkritische Positionen klar im Vorteil: Gängige Klischees von Steuern als „Last“, „bürokratischen Monstern“ oder als „Gefahr“ für Wirtschaft und „Omas Häuschen“ verfangen in der Debatte. Insbesondere die stark vereinfachte Kausalbeziehung zwischen der Erbschaftsteuer und negativen wirtschaftlichen Konsequenzen fällt hier ins Gewicht. Die einfachen Zusammenhänge werden mit einer intuitiven, meist personalisierten Nutzung von emotional aufgeladenen Metaphern und Allegorien verbunden („ökonomisches Rückgrat“, „Freiheit“, „Familie“, „Neid“, „Sozialismus“, etc.). Das Ergebnis ist eine einfache, eingängige Argumentationsstruktur, die durch die vielfachen Verflechtungen zwischen den Frames zusätzlich gestützt wird.
Im Kontrast dazu basieren die positiven Frames der Berichterstattung v.a. auf relativ abstrakten gesellschaftlichen Verhältnissen („Ungleichheit“, „Wohlstandskonzentration“, „Privilegierung“) oder Konzepten („Meritokratie“). Diese bleiben in der Kommunikation erklärungsbedürftig oder sind in ihrer Durchschlagskraft stark abhängig von externen Faktoren wie gesamtgesellschaftlichen Krisen. Hinzu kommt, dass die Argumentation oft abstrakt bleibt und ohne einprägsame Begriffe und Vergleiche vergleichsweise bieder wirkt. Einzige Ausnahmen sind hier der Frame des „Steuermissbrauchs“, der kontextabhängig mit eingängigen Slogans („Cash-GmbH“) kommunikative Akzente setzen kann. Diese bleiben jedoch in ihrer diskursiven Relevanz begrenzt. Zudem können sie nicht als langfristiges Framing-Repertoire angesehen werden, wie das bei der Mehrzahl der Argumentationsmuster auf der Gegenseite der Fall ist.
Allgemein bestätigt die Untersuchung daher frühere Forschungsergebnisse zur deutschen Medienlandschaft: eine Tendenz hin zu steuerkritischen Positionen und die oft unkritische Übernahme hegemonialer Frames in der Berichterstattung (beziehungsweise eine mangelnde Kontextualisierung vereinfachender Argumentationsmuster).
Politische Ausrichtung der Medienhäuser bedingt Berichterstattung
Wenig überraschend sind es insbesondere konservative Medienhäuser (u.a. die Springer-Presse und die FAZ), welche besonders häufig steuerkritische Frames verwenden. Währenddessen nutzen (sozial-)liberale Zeitungen und Zeitschriften (u.a. ZEIT, Süddeutsche Zeitung, Spiegel, taz) vergleichsweise häufiger Frames, die für Besteuerung argumentieren oder steuerpolitische Missverhältnisse anprangern. Interessant ist hierbei auch, dass konservative Medien scheinbar auch mehr neutrale Frames verwenden. Das könnte auf die meist technische Natur der Informationen (juristische oder politische Neuerungen, Steuertipps, etc.) zurückzuführen sein, denen konservativere Blätter im Vergleich mehr Aufmerksamkeit widmen.
Insgesamt bestätigt die hier vorgestellte Analyse in weiten Teilen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu (diskursiven) Einflussfaktoren auf die Steuerpolitik: die mangelnde Ausgewogenheit der Steuerberichterstattung in Deutschlands Zeitungsmedien, die grundsätzlich negative Konnotation von Besteuerung im Diskurs und schließlich das Missverhältnis der Wissensressourcen, die durch Zeitungsmedien in der öffentlichen Debatte vermittelt und verfestigt werden.
Die zuvor skizzierten Einschätzungen progressiver Politiker:innen, welche Steuerpolitik als Verliererthema betrachten, scheinen sich also für den Erbschaftsteuerdiskurs zu bestätigen. Gleichzeitig zeigen Studien jedoch auch, dass sich durch bestimmte Faktoren (starke gesellschaftliche Ungleichgewichte oder eine diskursive Schwächung steuerkritischer Positionen) Möglichkeiten für einen engagierten Diskurs für progressive Besteuerung bieten, die von Politiker:innen genutzt werden können.
Es braucht also Personen, die im Steuerdiskurs aktiv werden und engagiert sowohl bestehende Frames und gängige Klischees anfechten als auch selbst die Initiative ergreifen, um neue, kreative Argumentationslinien für eine progressive Steuerpolitik zu entwerfen. Angesichts drängender internationaler Krisen mit starken sozialpolitischen Auswirkungen wie beispielsweise dem Klimawandel und bestehender nationaler Probleme wie der Mangelverwaltung im Bildungs- und Gesundheitssektor gewinnt die Notwendigkeit eines handlungsfähigen Staates und eines stärkeren sozialen Ausgleichs an Brisanz. Das staatliche Instrument der Besteuerung kann hier einen Beitrag leisten.
Die Politische Ökonomie der Ungleichheit
Das Promotionskolleg „Die Politische Ökonomie der Ungleichheit“ untersucht Ausmaß, Ursachen und Folgen steigender sozioökonomischer Ungleichheit. Materielle Unterschiede stehen dabei im Mittelpunkt, werden aber stets in Zusammenhang zu politischen, sozialen und ökologischen Aspekten gesetzt. Die Forschungspraxis ist von einem interdisziplinären und anwendungsorientierten sozioökonomischen Ansatz geprägt. Zur Übersicht aller Blogbeiträge der Mitglieder aus dem Promotionskolleg
Dieser Beitrag wurde zunächst auf makronom.de veröffentlicht.
Kurz zusammengefasst
Ein maßgeblicher Grund für die wachsende Ungleichheit in Deutschland ist die schwache Vermögensbesteuerung. Der Text bietet eine Analyse der Medienberichterstattung zur Erbschaftssteuer und schafft damit Hinwiese, wie derartige Steuersenkungen kommentiert bzw. legitimiert werden. Eine negative Konnotation der Erbschaftssteuer kann bestätigt werden. Kritik wird privat oder wirtschaftlich geframed. Ein normales privates Vermögen sei bedroht oder der deutsche Mittelstand und mit ihm die Arbeitsplätze, die dieser stellt, seihen existenziell bedroht. Selten sind positive Töne. Im Mittelpunkt steht hier unter anderem die Frage der Gerechtigkeit. Doch die positiven Beiträge bleiben auffallend abstrakt. Ihnen fehlen einprägsame Begriffe und sind in ihrer Durchschlagskraft extrem abhängig von gesamtgesellschaftlichen Krisen. So bestätigt der Autor in diesem Artikel frühere Forschungsergebnisse. Die deutsche Medienlandschaft zeigt eine Tendenz für steuerkritische Positionen und eine unkritische Übernahme hegemonialer Frames. Die Analyse schließt mit dem Appell, es bräuchte explizite Personen, die engagiert Potenziale ausnutzen und kreative Argumentationslinien für progressive Steuerpolitik entwerfen.