Ein maß­geb­li­cher Trei­ber der Ungleich­heit in Deutsch­land ist der Rück­gang der Besteue­rung hoher Ver­mö­gen. Eine Ana­lyse der Medi­en­be­richt­erstat­tung zur Erb­schaft­steuer gibt nun Hin­weise dafür, wie Steu­er­sen­kun­gen öffent­lich kom­men­tiert und legi­ti­miert werden.

S

eit der Jahr­tau­send­wende wurde die poli­ti­sche Land­schaft Deutsch­lands von einer Kette an Kri­sen­er­eig­nis­sen erschüt­tert, die bestehende Schwach­punkte und Fehl­ent­wick­lun­gen unse­res Gesell­schafts­sys­tems scho­nungs­los offen­ge­legt haben. Beson­ders ärmere Bevöl­ke­rungs­teile wur­den durch die Kri­sen stark beein­träch­tigt – die soziale Frage rückte wie­der ins Zen­trum der Aufmerksamkeit.

Die wirt­schaft­li­che und poli­ti­sche Dau­er­krise trifft dabei auf eine ohne­hin seit Jahr­zehn­ten wach­sende Ungleich­heit in unse­rer Gesell­schaft und ver­schärft diese zusätz­lich. Es besteht also drin­gen­der Hand­lungs­be­darf. Hinzu kom­men mas­sive Her­aus­for­de­run­gen, etwa durch die sozial-öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­tion, die Digi­ta­li­sie­rung und die Sanie­rung von öffent­li­cher Infra­struk­tur, des Bil­dungs- und Gesundheitswesens.

Der Autor

Moritz Gar­ti­ser ist Dok­to­rand im Pro­mo­ti­ons­kol­leg „Poli­ti­sche Öko­no­mie der Ungleich­heit“. Seine Schwer­punkte: Steu­er­wis­sen, steu­er­po­li­ti­scher Dis­kurse und unglei­che Macht­ver­hält­nisse inner­halb der deut­schen Medienlandschaft.

Die Finan­zie­rung sol­cher staat­li­chen Maß­nah­men ist jedoch durch klamme öffent­li­che Kas­sen und gesetz­lich ver­an­kerte Ver­schul­dungs­re­geln deut­lich ein­ge­schränkt. Alle zusam­men – Ungleich­heit, Inves­ti­ti­ons­be­darf und Finan­zie­rungs­lü­cken – rücken daher die staat­li­che Ein­nah­me­seite gleich mehr­fach in den Fokus: Zum einen kön­nen Finan­zie­rungs­lü­cken teil­weise durch Mehr­ein­nah­men bei der Steuer aus­ge­gli­chen wer­den. Zum ande­ren kann das Design staat­li­cher Steu­er­po­li­tik diese ent­we­der zum Trei­ber wach­sen­der Ungleich­heit machen – oder aber als wich­ti­ges Instru­ment für deren Ein­däm­mung etablieren.

Das deutsche Steuersystem hat an Progressivität verloren

In Deutsch­land hat die Pro­gres­si­vi­tät des Steu­er­sys­tems seit den 1990er Jah­ren durch meh­rere Steu­er­re­for­men sys­te­ma­tisch abge­nom­men (Bach et al. 2017). So kam es sowohl zu einer Abnahme der Unter­neh­men­steuer, einer Sen­kung der Höchst­sätze der Ein­kom­men­steuer und zu einer Erhö­hung der Mehr­wert­steuer.(Bach 2019) Hinzu kommt, dass beson­ders die Besteue­rung von Ver­mö­gens­wer­ten in Deutsch­land nahezu unbe­deu­tend ist (Bach et al. 2017). Die Aus­set­zung der Ver­mö­gen­steuer 1996 sowie groß­zü­gige Aus­nah­me­re­ge­lun­gen bei der Erb­schaft­steuer v.a. für Unter­neh­menserb­schaf­ten sor­gen dafür, dass beson­ders hohe Ver­mö­gen prak­tisch von der Steuer aus­ge­nom­men werden.

Serie Ungleichheit und Macht

Die wach­sende gesell­schaft­li­che Ungleich­heit ist eines der bedeu­tends­ten Pro­bleme unse­rer Zeit. Zugleich steigt das wis­sen­schaft­li­che Inter­esse und lie­fert neue Erkennt­nisse mit Blick auf die drän­gends­ten Fra­gen und Ant­wor­ten zu ver­schie­de­nen Dimen­sio­nen der Ungleich­heit und ihren zugrun­de­lie­gen­den Machstrukturen.

Für die Debat­ten­reihe „Ungleich­heit und Macht“ haben Doktorand:innen aus dem Pro­mo­ti­ons­kol­leg „Poli­ti­sche Öko­no­mie der Ungleich­heit“ am Insti­tut für Sozio­öko­no­mie der Uni­ver­si­tät Duis­burg-Essen diese neuen Erkennt­nisse auf­ge­schrie­ben. In den Bei­trä­gen stel­len die Pro­mo­vie­ren­den, die von der Hans-Böck­ler-Stif­tung geför­dert wer­den, Teil­ergeb­nisse ihrer For­schung vor und dis­ku­tie­ren ver­bun­dene gesell­schaft­li­che Her­aus­for­de­run­gen sowie poli­ti­sche Hand­lungs­op­tio­nen. Mit dem Fokus auf Ungleich­heits­di­men­sio­nen und zugrunde lie­gen­den Macht­ver­hält­nis­sen reicht der the­ma­ti­sche Bogen von Armut und Besteue­rung bis zu Arbeitsmarkt‑, Gleich­stel­lungs- oder Kli­ma­po­li­tik. Durch die the­ma­ti­schen Breite und Viel­falt der ein­ge­setz­ten Metho­den sto­ßen die Autor:innen eine wei­ter­füh­rende gesell­schaft­li­che Debatte dar­über an, wie der stei­gen­den Ungleich­heit begeg­net wer­den kann.

Die Reihe erscheint in regel­mä­ßi­gen Abstän­den zwi­schen April und Juni 2023 im Makro­nom. Hier im ifs­ob­log doku­men­tie­ren wir die Serie anschlie­ßend ebenfalls.

Inner­halb Euro­pas ist Deutsch­land so zu einem Land avan­ciert, wel­ches eine der höchs­ten Kon­zen­tra­tio­nen von Ein­kom­men und Ver­mö­gen auf­weist (Neef & Chan­cel 2022). Beson­ders letz­tere zeigt frap­pie­rende Effekte: Fast die Hälfte der gesam­ten inter­ge­ne­ra­tio­na­len Trans­fers gehen an die ver­mö­gends­ten 10%, die unte­ren 50% der Bevöl­ke­rung gehen dage­gen mit ins­ge­samt ca. 10% der Erb­schaf­ten und Schen­kun­gen prak­tisch leer aus (Bare­sel et al. 2021).

Die öffentliche Meinung ist für eine steuerliche Umverteilung

Diese Ent­wick­lung ist zunächst ver­blüf­fend, da die über­wie­gende Mehr­heit der Wahl­be­völ­ke­rung von einer pro­gres­si­ven Besteue­rung pro­fi­tie­ren würde. Auch die öffent­li­che Wahr­neh­mung spie­gelt das wider: Es gibt sowohl eine gene­relle Akzep­tanz in der Bevöl­ke­rung über die Not­wen­dig­keit von Steu­ern für den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt (Ban­dau et al. 2017), als auch eine sta­bile und nach­hal­tige Mehr­heit für eine umver­tei­lende wir­kende Steu­er­po­li­tik (Ebbing­haus & Nau­mann 2018).

Jedoch wird diese gesell­schaft­li­che Hal­tung offen­sicht­lich nicht poli­tisch umge­setzt. Die Kluft zwi­schen öffent­li­cher Mei­nung auf der einen Seite und einer gegen­läu­fi­gen poli­ti­schen Ent­schei­dungs­fin­dung auf der ande­ren Seite deu­tet auf ernst­hafte Pro­bleme inner­halb des Pro­zes­ses der Poli­tik­for­mu­lie­rung hin. Die Erklä­rungs­an­sätze hier­für gehen von Lob­by­ing über Steu­er­wett­be­werb hin zu einem Man­gel an öko­no­mi­schem Wis­sen und einer wider­sprüch­li­chen Hal­tung der Bevöl­ke­rung gegen­über kon­kre­ten steu­er­po­li­ti­schen Vorhaben.

Tat­säch­lich ist die öffent­li­che Zustim­mung zu kon­kre­ten Poli­tik­vor­ha­ben wie der Wie­der­ein­füh­rung der Ver­mö­gen­steuer oder der kon­se­quen­ten Erhe­bung der Erb­schaft­steuer weit weni­ger ein­deu­tig, als es die abs­trakte Zustim­mung zu umver­tei­len­der Steu­er­po­li­tik ver­mu­ten ließe. Das mag an der grund­le­gend nega­ti­ven Kon­no­ta­tion von Steu­ern (Schmid 2012), an man­geln­dem öko­no­mi­schen Wis­sen (Blau­fus et al. 2020) sowie einer sys­te­ma­ti­schen Ver­zer­rung der Medi­en­be­richt­erstat­tung hin zu steu­er­aver­sen Posi­tio­nen lie­gen (Theine & Grie­sold 2022). Gleich­zei­tig zei­gen Stu­dien, dass Politiker:innen beson­ders aus dem lin­ken poli­ti­schen Spek­trum Steu­er­the­men bewusst mei­den, weil sie diese als „Ver­lie­rer­thema“ anse­hen. Kon­kret heißt das, dass sie weder Ver­trauen in die Aus­ge­wo­gen­heit der öffent­li­chen Debatte, ihre eigene The­men­ex­per­tise oder einen star­ken und bestän­di­gen Rück­halt der öffent­li­chen Mei­nung für umver­tei­lende Steu­er­po­li­tik set­zen (Fas­ten­rath et al. 2021).

Medial vermitteltes Commonsense-Wissen als Erklärungsfaktor

Letz­ten Endes scheint es nahe­lie­gend, dass alle drei Fak­to­ren zusam­men­hän­gen und im gesell­schaft­li­chen Steu­er­dis­kurs zum Aus­druck kom­men: Wel­che Spra­che, Vor­stel­lun­gen und Asso­zia­tio­nen sich im Zusam­men­hang mit Steu­ern durch­set­zen, unter­liegt einem kom­mu­ni­ka­ti­ven Aus­hand­lungs­pro­zess in der Öffent­lich­keit. Gleich­zei­tig dik­tiert die­ser öffent­li­che Dis­kurs auch, wel­che Wis­sens­res­sour­cen zur all­ge­mei­nen Ver­fü­gung ste­hen. Er bestimmt also die­je­ni­gen Res­sour­cen, die es ermög­li­chen, ein Thema ein­zu­ord­nen, abzu­wä­gen und zu beur­tei­len sowie letzt­lich eigene Hand­lungs­op­tio­nen aus die­sem Abwä­gungs­pro­zess abzu­lei­ten. Die mas­sen­me­diale Debatte bil­det somit die gesell­schaft­li­che Arena, in der gemein­same Wis­sens­res­sour­cen – Com­mon­sense-Wis­sen – ein­ge­führt, durch­ge­setzt und ver­brei­tet werden.

Doch wie sieht diese Debatte im Bereich Steu­ern eigent­lich aus? Wel­che Bil­der und Asso­zia­tio­nen von Steu­ern wer­den hier ver­mit­telt? Und kön­nen diese gege­be­nen­falls die mar­kante Lücke zwi­schen steu­er­po­li­ti­schen Prä­fe­ren­zen und kon­kre­ter Poli­tik erklären?

Eine com­pu­ter­ge­stützte Text­ana­lyse auf Grund­lage moder­ner quan­ti­ta­ti­ver Metho­den kann hier ein mög­lichst voll­um­fäng­li­ches Bild der Debatte lie­fern, die Argu­men­ta­ti­ons- und Legi­ti­ma­ti­ons­re­per­toires des deut­schen Steu­er­dis­kur­ses auf­zei­gen und so Rück­schlüsse über deren Effekte ermög­li­chen. Im Falle der Erb­schafts­steu­er­de­batte, die hier beleuch­tet wer­den soll, wurde ein Daten­kor­pus mit ca. 5.200 Arti­kel aus 190 Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten über einen Zeit­raum von 21 Jah­ren (2000−2021) ana­ly­siert. Kon­kret wer­den dabei steu­er­po­li­ti­sche Frames iden­ti­fi­ziert – also Aus­sa­gen die eine bestimmte Pro­blem­de­fi­ni­tion her­vor­he­ben, ihre Ursa­chen bestim­men und dar­über mora­li­sche Urteile fäl­len, bevor auf die­ser Grund­lage Lösungs­stra­te­gien ent­wor­fen wer­den (Ent­man 1993).,

Die iden­ti­fi­zier­ten Frames wur­den anschlie­ßend ent­spre­chend ihrer steu­er­po­li­ti­schen Aus­rich­tung in fünf Kate­go­rien ein­ge­teilt: Frames, die eine kon­se­quente Erb­schafts­be­steue­rung unter­stüt­zen (Gruppe 1), mode­rat posi­tiv aus­ge­rich­tete Frames mit poli­tisch-tech­ni­schem Inhalt (Gruppe 2), Inhalte mit einer rela­tiv aus­ge­wo­ge­nen Dis­kus­sion sowohl posi­ti­ver als auch nega­ti­ver Frames (Gruppe 3), mode­rat steu­er­kri­ti­sche Frames mit poli­tisch-tech­ni­schen Inhal­ten (Gruppe 4) und schließ­lich Frames, die klare Kri­tik an der Erb­schaft­steuer aus­drü­cken (Gruppe 5).

Steuerkritische Berichterstattung dominiert

Wirft man nun also einen Blick auf das steu­er­po­li­ti­sche Framing zum Thema Erb­schafts­be­steue­rung inner­halb der deut­schen Medi­en­land­schaft von 2000–2021, so kann man zunächst fest­stel­len, dass aus­führ­li­che Bespre­chun­gen des deut­schen Erb­schaft­steu­er­sys­tems und sei­ner gesell­schaft­li­chen Impli­ka­tio­nen im Medi­en­dis­kurs sel­ten sind. Statt­des­sen domi­nie­ren Par­tei­po­li­tik sowie regu­la­to­ri­sche und juris­ti­sche Details die Debatte.

Den­noch lässt sich das Bild von einer stark nega­ti­ven Kon­no­ta­tion von Erb­schaft­steu­ern bestä­ti­gen. Gene­rell wird in der Bericht­erstat­tung über Besteue­rungs­the­men auf einen rela­tiv begrenz­ten, zu gro­ßen Tei­len nega­tiv beset­zen his­to­ri­schen Wort­schatz zurück­ge­grif­fen. Das beginnt bei grund­le­gen­den Gegen­über­stel­lun­gen von der „Steu­er­last“ auf der einen Seite und der „Befrei­ung“ oder „Ver­scho­nung“ von die­ser auf der ande­ren Seite, geht über Worte wie „Ent­eig­nung“ oder „Sozia­lis­mus“ und gip­felt in Zuschrei­bun­gen der Steuer als „büro­kra­ti­sches Mons­ter“ oder „Axt“ an den Pfei­lern der Wirt­schaft. Posi­tive Zuschrei­bun­gen von Steu­ern sind dage­gen nicht vorhanden.

Neben der grund­le­gen­den Kon­no­ta­tion von Besteue­rung zeigt aber auch der Blick auf die iden­ti­fi­zier­ten Steu­er­frames eine ein­deu­tige Schlag­seite hin zu steu­er­kri­ti­schem oder sogar ‑feind­li­chem Framing. Wie die fol­gende Abbil­dung zeigt, haben steu­er­kri­ti­sche Frames (Gruppe 5) eine klare Dis­kurs­do­mi­nanz über den gesam­ten Unter­su­chungs­zeit­raum, trotz eini­ger Schwan­kun­gen, die meist der poli­ti­schen Kon­junk­tur geschul­det sind.

Prä­va­lenz von Steu­er­frames im deut­schen Medi­en­dis­kurs (2000−2021).

Beson­ders die weit­rei­chen­den Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­rich­tes trie­ben hier maß­geb­lich die Debatte (Bernert 2018). Die nega­ti­ven Frames stüt­zen sich dabei stark auf das Bild der Besteue­rung als „Last“, wel­che sowohl im pri­va­ten wie auch im wirt­schaft­li­chen Umfeld zum Tra­gen kommt. Im Pri­va­ten ist dabei beson­ders der Schutz eines mora­lisch ver­klär­ten „nor­ma­len“ Ver­mö­gens vor dem staat­li­chen Zugriff im Fokus (z.B. das „Fami­li­en­haus“ oder „Omas Häus­chen“), ver­bun­den mit der For­de­rung nach hohen Freibeträgen.

Rele­van­ter als das pri­vat aus­ge­rich­tete Argu­men­ta­ti­ons­mus­ter sind aber Frames, die auf Unter­neh­menserb­schaf­ten bezo­gen wer­den. Das gilt beson­ders für das Framing der „exis­ten­ti­el­len Gefähr­dung von mit­tel­stän­di­schen, fami­li­en­ge­führ­ten Unter­neh­men“ durch die erb­schaft­steu­er­li­che Belas­tung der im Unter­neh­men gebun­de­nen Ver­mö­gen. Daran anschlie­ßend wer­den die Fol­gen der Erb­schafts­be­steue­rung dra­ma­tisch auf­ge­zeich­net: „Inves­ti­ti­ons­zu­rück­hal­tung“, „Aus­ver­kauf“, Unternehmens-„Exodus“, „Arbeits­platz­ver­lust“ und „wirt­schaft­li­cher Nie­der­gang“ des Lan­des. Rele­vant sind auch Ver­weise auf den „Stand­ort Deutsch­land“, der dem inter­na­tio­na­len Steu­er­wett­be­werb Rech­nung tra­gen und die Erb­schaft­steuer abschaf­fen sollte, um Betriebs­ab­wan­de­run­gen und Kapi­tal­flucht zu ver­hin­dern. Alter­na­tiv dazu wird auch die Ein­füh­rung eines föde­ra­len Steu­er­wett­be­werbs durch die Regio­na­li­sie­rung der Erb­schaft­steuer gefordert.

Der letzte rele­vante Frame han­delt von der Kom­ple­xi­tät und dem büro­kra­ti­schen Auf­wand der Erb­schaft­steuer, ver­bun­den mit For­de­run­gen nach einer dras­ti­schen Ver­ein­fa­chung (Stich­wort „Bier­de­ckel“ oder „Flat Tax“) oder gleich der kom­plet­ten Abschaf­fung der Steuer.

Im Gegen­satz dazu steht die geringe Prä­va­lenz steu­er­po­li­ti­scher Frames, die sich für die Erb­schafts­be­steue­rung aus­spre­chen (Gruppe 1). Tat­säch­lich sind diese vor 2008 prak­tisch nicht vor­han­den und gewin­nen auch danach nur all­mäh­lich an Rele­vanz in der Debatte. Auch hier scheint die stei­gende Auf­merk­sam­keit bestimmt zu sein von Kon­text­fak­to­ren wie der Finanz­krise ab 2008 und der Corona-Krise ab 2019.

Die star­ken gesell­schaft­li­chen Ver­wer­fun­gen der Kri­sen sind ohne Zwei­fel Kata­ly­sa­to­ren für die bestehen­den posi­ti­ven Frames zur Erb­schaft­steuer. Denn befür­wor­tende Arti­kel zur Erb­schafts­be­steue­rung rekur­rie­ren in ihrer Argu­men­ta­tion fast aus­schließ­lich auf Kri­tik an den bestehen­den Ver­hält­nis­sen. Neben Steu­er­schlupf­lö­chern und den Prak­ti­ken der „Steu­er­ge­stal­tung“ (z.B. durch Cash-GmbHs oder Stif­tungs­we­sen) und „Steu­er­hin­ter­zie­hung“ wen­det sich diese auch gegen steu­er­li­che „(Über-)Privilegierungen“. In beson­de­rem Maße ste­hen hier aber gene­relle Ver­tei­lungs­fra­gen und wach­sende gesell­schaft­li­che Ungleich­hei­ten im Mit­tel­punkt der Argu­men­ta­ti­ons­li­nie. Damit ver­bun­den wer­den grund­sätz­li­chere mora­li­sche Pro­blem­stel­lun­gen wie die Frage nach sozia­ler Gerech­tig­keit, Chan­cen­gleich­heit und dem Leis­tungs­prin­zip (Erb­schaft als „leis­tungs­lo­ses Ein­kom­men“). Die posi­ti­ven Frames kön­nen dem­nach mit den Über­be­grif­fen „(Un-)Gerechtigkeit“ und „Ungleich­heit“, „Miss­brauch“ und „Leis­tung“ umfasst werden.

Positive Berichterstattung bleibt abstrakt

Im Ver­gleich steu­er­kri­ti­scher und steu­er­be­für­wor­ten­der Frames fällt zunächst das starke Ungleich­ge­wicht bei­der Posi­tio­nen im steu­er­po­li­ti­schen Dis­kurs auf. Sowohl bezo­gen auf die Rele­vanz in der steu­er­po­li­ti­schen Bericht­erstat­tung als auch in Bezug auf die Diver­si­tät, Anzahl und Ver­ständ­lich­keit des jewei­li­gen Framing-Reper­toires sind die steu­er­kri­ti­sche Posi­tio­nen klar im Vor­teil: Gän­gige Kli­schees von Steu­ern als „Last“, „büro­kra­ti­schen Mons­tern“ oder als „Gefahr“ für Wirt­schaft und „Omas Häus­chen“ ver­fan­gen in der Debatte. Ins­be­son­dere die stark ver­ein­fachte Kau­sal­be­zie­hung zwi­schen der Erb­schaft­steuer und nega­ti­ven wirt­schaft­li­chen Kon­se­quen­zen fällt hier ins Gewicht. Die ein­fa­chen Zusam­men­hänge wer­den mit einer intui­ti­ven, meist per­so­na­li­sier­ten Nut­zung von emo­tio­nal auf­ge­la­de­nen Meta­phern und Alle­go­rien ver­bun­den („öko­no­mi­sches Rück­grat“, „Frei­heit“, „Fami­lie“, „Neid“, „Sozia­lis­mus“, etc.). Das Ergeb­nis ist eine ein­fa­che, ein­gän­gige Argu­men­ta­ti­ons­struk­tur, die durch die viel­fa­chen Ver­flech­tun­gen zwi­schen den Frames zusätz­lich gestützt wird.

Im Kon­trast dazu basie­ren die posi­ti­ven Frames der Bericht­erstat­tung v.a. auf rela­tiv abs­trak­ten gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen („Ungleich­heit“, „Wohl­stands­kon­zen­tra­tion“, „Pri­vi­le­gie­rung“) oder Kon­zep­ten („Meri­to­kra­tie“). Diese blei­ben in der Kom­mu­ni­ka­tion erklä­rungs­be­dürf­tig oder sind in ihrer Durch­schlags­kraft stark abhän­gig von exter­nen Fak­to­ren wie gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Kri­sen. Hinzu kommt, dass die Argu­men­ta­tion oft abs­trakt bleibt und ohne ein­präg­same Begriffe und Ver­glei­che ver­gleichs­weise bie­der wirkt. Ein­zige Aus­nah­men sind hier der Frame des „Steu­er­miss­brauchs“, der kon­text­ab­hän­gig mit ein­gän­gi­gen Slo­gans („Cash-GmbH“) kom­mu­ni­ka­tive Akzente set­zen kann. Diese blei­ben jedoch in ihrer dis­kur­si­ven Rele­vanz begrenzt. Zudem kön­nen sie nicht als lang­fris­ti­ges Framing-Reper­toire ange­se­hen wer­den, wie das bei der Mehr­zahl der Argu­men­ta­ti­ons­mus­ter auf der Gegen­seite der Fall ist.

All­ge­mein bestä­tigt die Unter­su­chung daher frü­here For­schungs­er­geb­nisse zur deut­schen Medi­en­land­schaft: eine Ten­denz hin zu steu­er­kri­ti­schen Posi­tio­nen und die oft unkri­ti­sche Über­nahme hege­mo­nia­ler Frames in der Bericht­erstat­tung (bezie­hungs­weise eine man­gelnde Kon­tex­tua­li­sie­rung ver­ein­fa­chen­der Argumentationsmuster).

Politische Ausrichtung der Medienhäuser bedingt Berichterstattung

Wenig über­ra­schend sind es ins­be­son­dere kon­ser­va­tive Medi­en­häu­ser (u.a. die Sprin­ger-Presse und die FAZ), wel­che beson­ders häu­fig steu­er­kri­ti­sche Frames ver­wen­den. Wäh­rend­des­sen nut­zen (sozial-)liberale Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten (u.a. ZEIT, Süd­deut­sche Zei­tung, Spie­gel, taz) ver­gleichs­weise häu­fi­ger Frames, die für Besteue­rung argu­men­tie­ren oder steu­er­po­li­ti­sche Miss­ver­hält­nisse anpran­gern. Inter­es­sant ist hier­bei auch, dass kon­ser­va­tive Medien schein­bar auch mehr neu­trale Frames ver­wen­den. Das könnte auf die meist tech­ni­sche Natur der Infor­ma­tio­nen (juris­ti­sche oder poli­ti­sche Neue­run­gen, Steu­er­tipps, etc.) zurück­zu­füh­ren sein, denen kon­ser­va­ti­vere Blät­ter im Ver­gleich mehr Auf­merk­sam­keit widmen.

Abb. 2: Prä­va­lenz von Steu­er­frames nach poli­ti­scher Ori­en­tie­rung der Medien

Ins­ge­samt bestä­tigt die hier vor­ge­stellte Ana­lyse in wei­ten Tei­len die wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nisse zu (dis­kur­si­ven) Ein­fluss­fak­to­ren auf die Steu­er­po­li­tik: die man­gelnde Aus­ge­wo­gen­heit der Steu­er­be­richt­erstat­tung in Deutsch­lands Zei­tungs­me­dien, die grund­sätz­lich nega­tive Kon­no­ta­tion von Besteue­rung im Dis­kurs und schließ­lich das Miss­ver­hält­nis der Wis­sens­res­sour­cen, die durch Zei­tungs­me­dien in der öffent­li­chen Debatte ver­mit­telt und ver­fes­tigt werden.

Die zuvor skiz­zier­ten Ein­schät­zun­gen pro­gres­si­ver Politiker:innen, wel­che Steu­er­po­li­tik als Ver­lie­rer­thema betrach­ten, schei­nen sich also für den Erb­schaft­steu­er­dis­kurs zu bestä­ti­gen. Gleich­zei­tig zei­gen Stu­dien jedoch auch, dass sich durch bestimmte Fak­to­ren (starke gesell­schaft­li­che Ungleich­ge­wichte oder eine dis­kur­sive Schwä­chung steu­er­kri­ti­scher Posi­tio­nen) Mög­lich­kei­ten für einen enga­gier­ten Dis­kurs für pro­gres­sive Besteue­rung bie­ten, die von Politiker:innen genutzt wer­den können.

Es braucht also Per­so­nen, die im Steu­er­dis­kurs aktiv wer­den und enga­giert sowohl bestehende Frames und gän­gige Kli­schees anfech­ten als auch selbst die Initia­tive ergrei­fen, um neue, krea­tive Argu­men­ta­ti­ons­li­nien für eine pro­gres­sive Steu­er­po­li­tik zu ent­wer­fen. Ange­sichts drän­gen­der inter­na­tio­na­ler Kri­sen mit star­ken sozi­al­po­li­ti­schen Aus­wir­kun­gen wie bei­spiels­weise dem Kli­ma­wan­del und bestehen­der natio­na­ler Pro­bleme wie der Man­gel­ver­wal­tung im Bil­dungs- und Gesund­heits­sek­tor gewinnt die Not­wen­dig­keit eines hand­lungs­fä­hi­gen Staa­tes und eines stär­ke­ren sozia­len Aus­gleichs an Bri­sanz. Das staat­li­che Instru­ment der Besteue­rung kann hier einen Bei­trag leisten.

Die Politische Ökonomie der Ungleichheit

Das Pro­mo­ti­ons­kol­leg „Die Poli­ti­sche Öko­no­mie der Ungleich­heit“ unter­sucht Aus­maß, Ursa­chen und Fol­gen stei­gen­der sozio­öko­no­mi­scher Ungleich­heit. Mate­ri­elle Unter­schiede ste­hen dabei im Mit­tel­punkt, wer­den aber stets in Zusam­men­hang zu poli­ti­schen, sozia­len und öko­lo­gi­schen Aspek­ten gesetzt. Die For­schungs­pra­xis ist von einem inter­dis­zi­pli­nä­ren und anwen­dungs­ori­en­tier­ten sozio­öko­no­mi­schen Ansatz geprägt. Zur Über­sicht aller Blog­bei­träge der Mit­glie­der aus dem Promotionskolleg

Die­ser Bei­trag wurde zunächst auf makronom.de ver­öf­fent­licht.

Kurz zusammengefasst

Ein maß­geb­li­cher Grund für die wach­sende Ungleich­heit in Deutsch­land ist die schwa­che Ver­mö­gens­be­steue­rung. Der Text bie­tet eine Ana­lyse der Medi­en­be­richt­erstat­tung zur Erb­schafts­steuer und schafft damit Hin­wiese, wie der­ar­tige Steu­er­sen­kun­gen kom­men­tiert bzw. legi­ti­miert wer­den. Eine nega­tive Kon­no­ta­tion der Erb­schafts­steuer kann bestä­tigt wer­den. Kri­tik wird pri­vat oder wirt­schaft­lich geframed. Ein nor­ma­les pri­va­tes Ver­mö­gen sei bedroht oder der deut­sche Mit­tel­stand und mit ihm die Arbeits­plätze, die die­ser stellt, sei­hen exis­ten­zi­ell bedroht. Sel­ten sind posi­tive Töne. Im Mit­tel­punkt steht hier unter ande­rem die Frage der Gerech­tig­keit. Doch die posi­ti­ven Bei­träge blei­ben auf­fal­lend abs­trakt. Ihnen feh­len ein­präg­same Begriffe und sind in ihrer Durch­schlags­kraft extrem abhän­gig von gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Kri­sen. So bestä­tigt der Autor in die­sem Arti­kel frü­here For­schungs­er­geb­nisse. Die deut­sche Medi­en­land­schaft zeigt eine Ten­denz für steu­er­kri­ti­sche Posi­tio­nen und eine unkri­ti­sche Über­nahme hege­mo­nia­ler Frames. Die Ana­lyse schließt mit dem Appell, es bräuchte expli­zite Per­so­nen, die enga­giert Poten­ziale aus­nut­zen und krea­tive Argu­men­ta­ti­ons­li­nien für pro­gres­sive Steu­er­po­li­tik entwerfen.