Über die bevor­ste­hen­den ASSA-Tagun­gen, die unan­ge­nehme Uni­for­mie­rung der Besucher*innen und den Wert der Stan­ford Ency­clo­pe­dia of Phi­lo­so­phy als groß­ar­ti­ger Ressource.

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Diese Aus­gabe des Hete­ro­dox Eco­no­mics News­let­ter ent­hält eine Reihe von Auf­ru­fen zur Ein­rei­chung von Bei­trä­gen im Zusam­men­hang mit den ASSA-Tagun­gen, die nor­ma­ler­weise Anfang Januar irgendwo in den USA statt­fin­den. Obwohl die insti­tu­tio­nel­len Details etwas kom­pli­zier­ter sind, könnte man sagen, dass die ASSA-Tagun­gen die regu­läre Kon­fe­renz der AEA sind, mit eini­gen Sit­zun­gen, die von hete­ro­do­xen Ver­ei­ni­gun­gen (wie den unten auf­ge­führ­ten) sowie von ande­ren, teil­weise weni­ger eta­blier­ten Ver­ei­ni­gun­gen wie der Natio­nal Eco­no­mic Asso­cia­tion aus­ge­rich­tet wer­den. Mei­ner Mei­nung nach ist die Teil­nahme an einer ASSA-Kon­fe­renz eine gute Bil­dungs­er­fah­rung, ins­be­son­dere für jün­gere Wissenschaftler*innen. Aller­dings kann es eine etwas zwie­späl­tige soziale Erfah­rung sein, da die Masse der dort anwe­sen­den Mainstream-Ökonom*innen auf­grund ihres gemein­sa­men Erschei­nungs­bil­des noch uni­for­mer zu sein scheint als sonst: Es sind über­wie­gend weiße, männ­li­che Per­so­nen, und obwohl es keine offi­zi­elle Klei­der­ord­nung gibt, ist die Idee der Signal­wir­kung etwas all­ge­gen­wär­tig, da alle den glei­chen Anzug zu tra­gen schei­nen. Ein Tou­rist, den ich ein­mal auf einer ASSA-Kon­fe­renz traf, fasste es tref­fend zusam­men, als er sagte, dass es hier ein­fach zu viele Anzug­trä­ger gibt, um einen Urlaub zu genießen.

Hete­ro­dox Eco­no­mics Newsletter

Der Hete­ro­dox Eco­no­mics News­let­ter wird her­aus­ge­ge­ben von Jakob Kapel­ler und erscheint im drei­wö­chent­li­chen Rhyth­mus mit Neu­ig­kei­ten aus der wis­sen­schaft­li­chen Com­mu­nity mul­ti­pa­ra­dig­ma­ti­scher öko­no­mi­scher Ansätze. Der News­let­ter rich­tet sich an einen Kreis von mehr als 7.000 Empfänger*innen und zählt schon weit mehr als 250 Ausgaben.

Und natür­lich gibt es eine gegen­sei­tige Ver­stär­kung der Mei­nun­gen und ein ziem­lich star­kes Grup­pen­ge­fühl. Daher emp­fehle ich, Witze über War­te­schlan­gen im Kapi­ta­lis­mus oder Kom­mu­nis­mus zu ver­mei­den, wenn sich die Leute in den Pau­sen in wirk­lich lan­gen Schlan­gen bei Star­bucks anstel­len, um einen Kaf­fee zu trin­ken – in der Ver­gan­gen­heit habe ich dar­auf einige wirk­lich feind­se­lige Reak­tio­nen erhalten ;-)

Ein ande­res Ereig­nis, das mir bei der Vor­be­rei­tung die­ser Aus­gabe des News­let­ters auf­ge­fal­len ist, ist weni­ger ambi­va­lent: eine der bes­ten Online-Enzy­klo­pä­dien im aka­de­mi­schen Bereich – die Stan­ford Ency­clo­pe­dia of Phi­lo­so­phy – ent­hält jetzt einen wirk­lich infor­ma­ti­ven und gut geschrie­be­nen Arti­kel über Rosa Luxem­burg, ver­fasst von der groß­ar­ti­gen Lea Ypi. Mei­ner beschei­de­nen Mei­nung nach ist dies eine groß­ar­tige Ergän­zung der Enzy­klo­pä­die und auch eine groß­ar­tige Res­source für hete­ro­doxe Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler, die Rosa Luxem­burgs Werke und Ein­sich­ten ent­we­der in der Lehre nut­zen oder auf­fri­schen wol­len, was sich lohnt, da ihre Schrif­ten oft außer­ge­wöhn­lich klar und manch­mal vor­aus­schau­end sind, wie die­ses schöne Zitat (das ich aus Leas Arti­kel ent­nom­men habe) zeigt:

„Solange es kapi­ta­lis­ti­sche Staa­ten gibt, d. h. solange die impe­ria­lis­ti­sche Welt­po­li­tik das innere und äußere Leben einer Nation bestimmt und regelt, kann es keine ‚natio­nale Selbst­be­stim­mung‘ geben, weder im Krieg noch im Frie­den“ (siehe hier für die Originalquelle)

Wie kön­nen wir nun unse­ren Mainstream-Freund*innen auf dem ASSA-Tref­fen erklä­ren, dass so etwas einen Wert hat? Mei­ner Erfah­rung nach funk­tio­niert es am bes­ten, wenn man argu­men­tiert, dass eine Luxem­burg Dani Rodriks Argu­men­ta­tion zum Glo­ba­li­sie­rungs­tri­lemma um fast 100 Jahre vor­weg­ge­nom­men hat, da eine sol­che Sicht­weise gut mit der vor­herr­schen­den „In-Group“-Mentalität über­ein­stimmt. Gleich­zei­tig ver­deut­licht diese Erfah­rung aber auch den trau­ri­gen Zustand des Wirt­schafts­dis­kur­ses im All­ge­mei­nen, in dem Ideen nicht so sehr nach ihren eigent­li­chen Vor­zü­gen beur­teilt wer­den, son­dern eher nach dem Pres­tige ihrer intel­lek­tu­el­len Urheber*innen …

Nichts­des­to­trotz, alles Gute,

Jakob
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