Wie der Globale Norden durch Opportunismus die Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Entstehung von Omikron in die Höhe getrieben hat, das Problem opportunistischen Verhaltens bei kollektiven Handlungsproblemen und eine Kritik des modernen Konsequentialismus.
Omikron ist also das, was wir jetzt den nächsten Schritt im Pandemiezyklus nennen. Das klingt hart und war vielleicht unvermeidlich, aber dennoch hätte die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines solchen Ereignisses massiv verringert werden können, wenn Impfstoffe im Globalen Süden in gleichem Umfang wie im Globalen Norden verfügbar gewesen wären. Dieses Ergebnis ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die reichen Länder versuchen, durch das Horten von Impfstoffen und den Schutz ihrer geistigen Eigentumsrechte sowohl ihre öffentliche Gesundheit als auch ihre Gewinne zu maximieren. Meiner Meinung nach musste diese Strategie scheitern, selbst wenn man die (offenkundigen) opportunistischen Präferenzen des Globalen Nordens als gegeben ansieht. Der Grund dafür ist ganz einfach, dass jede großflächige Verbreitung von COVID neue Mutationen begünstigt, die schließlich auch in die Länder gelangen, die weit entfernt von solchen großflächigen Expositionen liegen. Die opportunistische Strategie ist also nicht zielführend, denn sie untergräbt systematisch genau den Schutz, den sie eigentlich bieten sollte.
Heterodox Economics Newsletter
Der Heterodox Economics Newsletter wird herausgegeben von Jakob Kapeller und erscheint im dreiwöchentlichen Rhythmus mit Neuigkeiten aus der wissenschaftlichen Community multiparadigmatischer ökonomischer Ansätze. Der Newsletter richtet sich an einen Kreis von mehr als 7.000 Empfänger*innen und zählt schon weit mehr als 250 Ausgaben.
Wäre es nicht tragisch und damit emotional belastend, wäre es ein gutes Lehrbeispiel dafür, wie opportunistische Strategien schnell nach hinten losgehen können, wenn sie auf soziale Probleme angewandt werden, die zumindest bis zu einem gewissen Grad als kollektive Handlungsprobleme rationalisiert werden können. Darüber hinaus lehrt diese Beobachtung auch eine doppelte Lektion in Sachen Ethik: Zum einen hängen die Auswirkungen des konsequentialistischen Ansatzes (das heißt die Konzentration auf die Outcomes, die auch in den Wirtschaftswissenschaften im Vordergrund steht) stark davon ab, wer in die Gleichung einbezogen wird, das heißt, wessen Outcome zählt. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass ein umfassenderes, konsequentialistisches Konzept – etwa das altmodische, bei dem das Outcome jedes Einzelnen zählt – die reichen Länder leicht zu anderen Entscheidungen geführt hätte.
Zum anderen stellen wir auch fest, dass die opportunistische Haltung nicht unverwundbar ist. Vielmehr ist sie mit Unsicherheit behaftet, da wir die Outcomes unserer Handlungen im Voraus ableiten oder erraten müssen, um potenzielle Outcomes zu antizipieren – und diese Vermutungen könnten sich als falsch erweisen. Schließlich könnten wir ein ganz anderes Outcome erzielen, als wir ursprünglich zu erreichen hofften, und in diesem Zusammenhang kann eine Strategie nach hinten losgehen. Dies scheint mir hier der Fall zu sein, auch wenn die ursprüngliche Hoffnung, auf nationalen Opportunismus zu setzen, um eine höhere Netto-Sicherheit zu erreichen, wahrscheinlich ohnehin eine allzu naïve Wette war. Im Gegensatz dazu hätte eine stärker tugendbasierte Handlungsweise – das heißt, eine Konzentration auf moralische Prinzipien statt auf antizipierte Outcomes, die sich an den konventionellen Vorstellungen von Menschenrechten orientiert – eine umfassendere Strategie impliziert. Schließlich hätte eine solche umfassendere Strategie auch dem Globalen Norden zugute kommen können, aber wie es scheint, haben das zu wenige politische Entscheidungsträger*innen vorausgesehen ;-)
In diesem Sinne: Bleiben Sie nicht nur gesund, sondern teilen Sie auch und kümmern Sie sich.
Beste Grüße