Unser Urlaub ist heißer als je zuvor – ein Vorgeschmack auf die klimatischen Herausforderungen, die uns bevorstehen könnten.
Meine zehnjährige Tochter hat dieser Tage eine Postkarte erhalten. Sie wurde von einer Freundin von ihr geschickt, die gerade in Norditalien Urlaub macht. Auf der Karte stand:
Liebe Florentina,
wir sind im Urlaub und es ist sehr schön. Aber zugegeben, es ist auch sehr heiß.
Liebe Grüße, Carla*
Heterodox Economics Newsletter
Der Heterodox Economics Newsletter wird herausgegeben von Jakob Kapeller und erscheint im dreiwöchentlichen Rhythmus mit Neuigkeiten aus der wissenschaftlichen Community multiparadigmatischer ökonomischer Ansätze. Der Newsletter richtet sich an einen Kreis von mehr als 7.000 Empfänger*innen und zählt schon weit mehr als 250 Ausgaben.
Nun, das ist eine ziemlich überzeugende Analyse. Es ist heiß, viel heißer als sonst, vor allem in den Mittelmeerregionen, aber auch hier oben in Österreich. Vielleicht ist es nur ein außergewöhnliches Jahr, das zu einem steigenden Trend beiträgt, vielleicht aber auch nicht. Wahrscheinlicher ist, dass wir beim Klimawandel und seinen lokalen Auswirkungen mit Nichtlinearitäten rechnen müssen, oder in der etwas banaleren Sprache der Ökonomie: Wir müssen mit nichtlinearen lokalen und regionalen Schocks rechnen, die die eher linearen Trends der Durchschnittstemperatur begleiten. Im Allgemeinen sind heterodoxe Ökonomen dafür gut gerüstet, aber es bleibt die seltsame Frage, ob und inwieweit die Machthaber auf uns abtrünnige Experten hören werden (oder alternativ auf die Leute in den Naturwissenschaften, die ganz ähnliche Dinge sagen).
Das Mittelmeer könnte in der Tat als großmaßstäbliches Beispiel für einen solch starken lokalen Effekt auftauchen, da es sich aufgrund seines beckenartigen Charakters in künftigen Sommerperioden durchaus in eine heiße Wanne verwandeln könnte (siehe hier für einige Daten und Grafiken dazu). Als jemand, der seit etwa dreißig Jahren fast jährlich in den Mittelmeerraum reist, muss ich auch zugeben, dass die lokalen Auswirkungen des Klimawandels an einigen Orten schon seit einiger Zeit deutlich sichtbar sind. Vor allem die charakteristischen und schönen Pinienwälder, die oft in Meeresnähe zu finden sind, haben überall mit zunehmender Hitze und Feuchtigkeit zu kämpfen.
Um auf Carlas Brief zurückzukommen, müssen wir auch feststellen, dass die Temperaturen, die in Norditalien herrschten, als ich zehn Jahre alt war, jetzt auch in Österreich herrschen, sogar in Alpennähe. Die Stadtgärtner in meiner Heimatstadt haben kürzlich vorgeschlagen, zu reagieren und die traditionell gepflanzten Bäume durch aus Italien und Spanien importierte Alternativen zu ersetzen. Das hört sich zwar schlau an, aber ich frage mich, woher die Italiener und Spanier ihre Ersatzbäume nehmen werden? Und erscheint eine solche Anpassung nicht dennoch zynisch, wenn wir unseren Blickwinkel auf die Orte, meist im globalen Süden, verlagern, die den sich verändernden Klimabedingungen noch stärker ausgesetzt sind und denen die finanziellen und technischen Mittel fehlen, um Anpassungsstrategien zu konzipieren?
Vielleicht wird die zunehmende Sichtbarkeit des Klimawandels seine massiven Folgen für viele transparenter machen und damit radikalere Veränderungen ermöglichen – in jedem Fall ist spät besser als nie. Für den Moment hoffe ich einfach, dass Clara den Rest ihres Urlaubs genießen kann.
Beste Grüße,
Jakob
* Obwohl meine Tochter in Wirklichkeit Florentina heißt (sehr zur Freude der Menschen in/aus der Toskana ;-), habe ich mir die Freiheit genommen, den wahren Namen ihrer Freundin durch ein Pseudonym zu ersetzen.
PS: Das Heterodoxe Wirtschaftslexikon in seiner 7. Auflage ist endlich da und veröffentlicht. Vielen Dank an alle Leser und Freunde, die Anregungen und Korrekturen geliefert haben. Wahrscheinlich werde ich in einem der nächsten Rundbriefe noch ein paar Informationen hinzufügen.