Die glo­bale Erd­er­wär­mung sollte unbe­dingt auf 1,5 ° C begrenzt wer­den. Aber ist die­ses Ziel bei wei­te­rem Wirt­schafts­wachs­tum zu errei­chen? Und wel­che Rolle fällt der tech­no­lo­gi­schen Trans­for­ma­tion bei der CO2-Ein­spa­rung zu? Mit einem neuen Online-Tool kann das erkun­det werden.

I

n die­sem Bei­trag stel­len wir ein klei­nes Online-Tool vor, das wir in der Lehre nut­zen, um den Zusam­men­hang zwi­schen CO2-Emis­sio­nen und Wirt­schafts­wachs­tum auf glo­ba­ler Ebene deut­lich zu machen. Das inter­ak­tive Tool eig­net sich beson­ders gut zur Ver­an­schau­li­chung von Zukunfts­sze­na­rien, bei denen die Anwender*innen ver­schie­dene Annah­men bezüg­lich des Wachs­tums des Brut­to­in­lands­pro­dukts (BIP) und der CO2-Inten­si­tät der Pro­duk­tion (CO2-Aus­stoß pro pro­du­zier­ter BIP-Ein­heit) tref­fen kön­nen. Es kön­nen auch mög­li­che Anpas­sungs­pfade für ein­zelne Län­der unter ver­schie­de­nen Annah­men simu­liert werden.

Das Online-Tool „Decou­pling or degrowth?“ ist ein Ergeb­nis des Pro­jekts WIPOSIM. Ziel des Pro­jekts ist die Wei­ter­ent­wick­lung des Online-Lehr­buchs und inter­ak­ti­ven Simu­la­tors „Ein­füh­rung in die Makro­öko­no­mik: plu­ral und inter­ak­tiv“. Dabei sol­len wirt­schafts­po­li­ti­sche Pro­blem­stel­lun­gen mit inter­ak­ti­ven Simu­la­ti­ons­tools auf­be­rei­tet wer­den. WIPOSIM setzt unter ande­rem auf die Methode der Sze­na­rio-Ana­lyse. Es ist ein Gemein­schafts­pro­jekt von Franz Prante (ifso) und Dr. Ales­san­dro Bramucci (HWR Ber­lin) unter Lei­tung von Prof. Dr. Achim Tru­ger (ifso) und Prof. Dr. Eck­hard Hein (HWR Ber­lin) und wird durch die Hans-Böck­ler-Stif­tung finanziert.

Screen­shot aus dem Online-Tool „Decou­pling or degrowth? Sce­na­rios for 21st cen­tury“.

Die sechs im Fol­gen­den dis­ku­tier­ten Sze­na­rien machen deut­lich, dass die Haupt­last der Anpas­sung zur Errei­chung der Kli­ma­ziele durch eine tech­no­lo­gi­sche Revo­lu­tion bei gleich­zei­ti­ger Ände­rung der mensch­li­chen Lebens­wei­sen getra­gen wer­den muss.

Klimaziele, CO2-Budget und globales BIP

CO2-Emis­sio­nen sind ein maß­geb­li­cher Trei­ber des Kli­ma­wan­dels. Den CO2-Aus­stoß zu redu­zie­ren ist für das Errei­chen der Kli­ma­ziele von zen­tra­ler Bedeu­tung. His­to­risch ging ein Anstieg der glo­ba­len Pro­duk­tion, gemes­sen als glo­ba­les BIP, mit einem Anstieg der CO2-Emis­sio­nen einher.

Wenn die Kli­ma­ziele des Pari­ser Abkom­mens (d. h. Erwär­mung im Ver­gleich zur vor­in­dus­tri­el­len Zeit deut­lich unter 2 Grad, am bes­ten unter 1,5 Grad) ein­ge­hal­ten wer­den sol­len, bleibt der Welt jedoch nur noch ein sehr begrenz­tes CO2-Bud­get. Das ver­blei­bende glo­bale CO2-Bud­get gibt dabei an, wie viel CO2 noch emit­tiert wer­den könnte, um die glo­bale Erwär­mung mit einer gewis­sen Wahr­schein­lich­keit unter einem bestimm­ten Tem­pe­ra­tur­ni­veau zu halten.

Der Welt­kli­ma­rat der Ver­ein­ten Natio­nen (IPCC) hat in sei­nem Sechs­ten Sach­stands­be­richt vom August 2021 die zu ver­schie­de­nen Kli­ma­zie­len gehö­ri­gen CO2-Bud­gets aktua­li­siert. Der Welt­kli­ma­rat emp­fiehlt ins­be­son­dere das Unter‑1,5‑Grad-Ziel.

Neh­men wir also ein­mal die­ses Ziel an und gehen von einer Wahr­schein­lich­keit von ca. 67 % aus, dass das Ziel ein­ge­hal­ten wer­den kann, so hatte die Welt Anfang 2020 noch unge­fähr 400 Giga­ton­nen (Gt) CO2, die „in die Luft gebla­sen“ wer­den konn­ten. Zie­hen wir davon die Emis­sio­nen des Jah­res 2020 ab, so belief sich die­ses Bud­get Anfang 2021 auf ca. 365 Gt CO2.

Wie stark die CO2-Emis­sio­nen zukünf­tig anstei­gen wer­den, wenn die Wirt­schaft wei­ter­wächst, hängt davon ab, wie viel CO2 bei der Pro­duk­tion ent­steht. Wir kön­nen die­sen Fak­tor als CO2-Inten­si­tät der Pro­duk­tion bezeichnen.

Die CO2-Inten­si­tät ist für die Welt als Gan­zes seit ca. den 1970er Jah­ren rück­läu­fig. In den zehn Jah­ren vor Beginn der Corona-Pan­de­mie (also von 2010 bis 2019) redu­zierte sich die aus­ge­sto­ßene Menge an CO2 pro pro­du­zier­tem BIP durch­schnitt­lich um etwa 2 % pro Jahr, wobei für die letz­ten fünf Jahre ein etwas stär­ke­rer Rück­gang von ca. 2,5 % pro Jahr fest­zu­stel­len war.

Neh­men wir in unse­rem Online-Tool zunächst ein­mal in einem ers­ten Sze­na­rio an, dass die CO2-Inten­si­tät der Pro­duk­tion wei­ter­hin mit einer Rate von ca. 2 % fällt und unter­stel­len wir, dass die Welt­wirt­schaft zudem unge­fähr mit der glei­chen Rate wächst, wie im Durch­schnitt der zehn Jahre vor 2020 (ca. 3,6 % pro Jahr).

Abbil­dung 1 zeigt, wie sich das glo­bale BIP und die CO2-Emis­sio­nen in die­sem „Busi­ness as usual“-Szenario ent­wi­ckeln würden.

Abb. 1: Sze­na­rio 1: „Busi­ness as usual“ (jähr­li­cher Rück­gang der CO2-Inten­si­tät der Pro­duk­tion ≈ 2 % und Wachs­tum des Welt-BIP ≈ 3,6 %)

Die mar­kierte Flä­che unter der CO2-Linie in der Abbil­dung zeigt, ab wel­chem Zeit­punkt das CO2-Bud­get zur Ein­hal­tung des 1,5‑Grad-Ziels (mit 67 % Wahr­schein­lich­keit) auf­ge­braucht ist. In die­sem Sze­na­rio würde die Welt ihr Rest­bud­get also ab 2031 über­schrei­ten und das ange­strebte 1,5‑Grad-Ziel uner­reich­bar werden.

Die Impli­ka­tion ist dras­tisch. Eine sofor­tige glo­bale kol­lek­tive Anstren­gung zur Absen­kung der CO2-Emis­sio­nen ist nötig, damit wir über­haupt noch eine Chance haben, das 1,5‑Grad-Ziel ein­zu­hal­ten. „Busi­ness as usual“ ist keine Option.

Wie lässt sich der CO2-Ausstoß absenken?

Rein logisch lässt sich der Zusam­men­hang zwi­schen CO2-Emis­so­nen und BIP wie folgt darstellen:

CO2 = CO2/Y × Y

CO2/Y = CO2-Inten­si­tät der Produktion
Y = Pro­duk­tion (BIP)

Aus­ge­hend davon gibt es fol­gende Mög­lich­kei­ten, den CO2-Aus­stoß abzusenken:

  • „Decou­pling“, d. h. sau­be­rer pro­du­zie­ren (schnel­le­res Absen­ken der CO2-Inten­si­tät),
  • „Degrowth“, d. h. weni­ger pro­du­zie­ren (gerin­ge­res oder nega­ti­ves Wirt­schafts­wachs­tum) oder
  • eine Kom­bi­na­tion aus beidem.

Natür­lich kann es bei den auf die­ser Glei­chung basie­ren­den Simu­la­tio­nen nur darum gehen, ein Gefühl für die Grö­ßen­ord­nun­gen bei der Frage nach Decou­pling oder Degrowth zu ent­wi­ckeln. Die Glei­chung CO2 = CO2/BIP × BIP ist per Defi­ni­tion wahr. Aber die Fak­to­ren CO2/BIP und BIP sind nicht unab­hän­gig, son­dern kön­nen auf kom­plexe Weise zusammenwirken.

Die Autoren

Franz Prante ist wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am ifso und Dok­to­rand an der Uni­ver­sité Sor­bonne Paris Cité und der HWR Ber­lin. Seine Schwer­punkte lie­gen in den Berei­chen Makro­öko­no­mik, Wirt­schafts­po­li­tik, Ein­kom­mens­ver­tei­lung und Finanzkrisen.

Till van Tre­eck ist Pro­fes­sor am ifso und Theo­dor-Heuss-Gast­pro­fes­sor an der New School. Seine Schwer­punkte sind: Ein­kom­mens­ver­tei­lung aus gesamt­wirt­schaft­li­cher Per­spek­tive, ver­glei­chende poli­ti­sche Öko­no­mie, sozio­öko­no­mi­sche Bildung.

So könnte ein zu lang­sa­mer Rück­gang von CO2/BIP einen plötz­li­chen Rück­gang des BIP erzwin­gen, wenn Umwelt­ka­ta­stro­phen die Pro­duk­tion zum Still­stand brin­gen. Ande­rer­seits könnte ein beson­ders star­ker Rück­gang von CO2/BIP auf ein beson­ders schnel­les Wachs­tum des BIP zurück­zu­füh­ren sein, wenn Inves­ti­tio­nen in erneu­er­bare Ener­gien das Wirt­schafts­wachs­tum ankurbeln.

Ein rascher Rück­gang von CO2/BIP könnte jedoch auch mit einem gerin­ge­ren Wirt­schafts­wachs­tum erreicht wer­den, wenn Inves­ti­tio­nen in erneu­er­bare Ener­gien mit kür­ze­ren Arbeits­zei­ten und gerin­ge­rem Ver­brauchs­wachs­tum ein­her­ge­hen. Die Frage, was hier rea­lis­tisch und wün­schens­wert ist, würde jedoch den Rah­men unse­res Online-Tools sprengen.

Nullwachstum oder Degrowth als Lösung?

Die exis­ten­ti­elle Gefahr des Kli­ma­wan­dels erfor­dert also dras­ti­sche Maß­nah­men. Wäre es mög­lich, das Pro­blem zu lösen, indem wir das all­ge­meine Wachs­tum der Welt­wirt­schaft ver­rin­gern oder sogar nega­tiv wer­den lassen?

Gehen wir mit Hilfe unse­rer Web-App in einem zwei­ten Sze­na­rio davon aus, dass die CO2-Inten­si­tät wie bis­her fällt, wel­ches Wirt­schafts­wachs­tum wäre nötig, damit wir das 1,5‑Grad-Ziel mit 67 % Wahr­schein­lich­keit errei­chen? Würde ein Null­wachs­tum (Sta­gna­ti­ons­sze­na­rio) rei­chen? Die nächste Abbil­dung zeigt ein sta­gnie­ren­des Welt-BIP und die dazu­ge­hö­ri­gen Emis­sio­nen unter der Annahme eines wei­te­ren Rück­gangs der CO2-Inten­si­tät um ca. 2 % pro Jahr.

Abb. 2: Sze­na­rio 2: Glo­ba­les Null­wachs­tum (jähr­li­cher Rück­gang der CO2-Inten­si­tät der Pro­duk­tion ≈ 2 % und Wachs­tum des Welt-BIP ≈ 0 %)

Es wird deut­lich, dass eine glo­bale wirt­schaft­li­che Sta­gna­tion bei wei­tem nicht rei­chen würde, um die Kli­ma­ziele ein­zu­hal­ten. Das Bud­get wäre bereits im Jahr 2033 auf­ge­braucht, da die jähr­li­chen Emis­sio­nen zu lang­sam sinken.

Wie sähe die Rech­nung bei einem Rück­gang der Wirt­schafts­leis­tung bei gleich­blei­ben­dem jähr­li­chen Rück­gang der CO2-Inten­si­tät von 2 % pro Jahr aus?

Die nächste Abbil­dung zeigt ein Welt-BIP, wel­ches ab dem Jahr 2021 um 6 % pro Jahr zurück geht. Die Emis­sio­nen nähern sich in die­sem Sze­na­rio 3 zwar bis 2050 der Null­grenze an, jedoch schrumpft die glo­bale Wirt­schaft um etwa 90 %. Trotz eines Ein­bruchs der welt­wei­ten Pro­duk­tion auf annä­hernd vor­in­dus­tri­el­les Niveau wür­den die Kli­ma­ziele kaum recht­zei­tig erreicht werden.

Abb. 3: Sze­na­rio 3: Schrump­fung auf annä­hernd vor­in­dus­tri­el­les Niveau (jähr­li­cher Rück­gang der CO2-Inten­si­tät der Pro­duk­tion ≈ 2 % und Wachs­tum des Welt-BIP ≈ ‑6 %)

Sowohl das „Sta­gna­ti­ons“- als auch das „Schrump­fungs­sze­na­rio“ wären aus wirt­schaft­li­cher und ins­be­son­dere aus ent­wick­lungs­po­li­ti­scher Sicht katastrophal.

Das Sta­gna­ti­ons­sze­na­rio wäre lang­fris­tig glo­bal nur erreich­bar, wenn neben den Indus­trie­na­tio­nen ins­be­son­dere Ent­wick­lungs- und Schwel­len­län­der ihre Wachs­tums­ra­ten absen­ken. Für weite Teile der Welt­be­völ­ke­rung würde dies bedeu­ten, dass sie in abso­lu­ter Armut wei­ter­le­ben müss­ten. Dabei han­delt es sich aber gerade um die­je­ni­gen Men­schen, die am wenigs­ten zum Kli­ma­wan­del bei­getra­gen haben und die gleich­zei­tig am stärks­ten von sei­nen Kon­se­quen­zen betrof­fen sein werden.

Kann die technologische Transformation allein zum Ziel führen?

Die nächste Abbil­dung aus unse­rem Tool zeigt ein vier­tes Sze­na­rio, in dem das jähr­li­che Wachs­tum wei­ter bei ca. 3,6 % liegt, sich der Rück­gang der glo­ba­len CO2-Inten­si­tät aber auf ca. 11,2 % pro Jahr erhöht, also erheb­lich sau­be­rer pro­du­ziert wird. Dies käme einer ener­gie­tech­ni­schen Revo­lu­tion gleich und wird nur mit einer umfas­sen­den Trans­for­ma­tion der Pro­duk­ti­ons- und Lebens­weise mög­lich sein.

Abb. 4: Sze­na­rio 4: Tech­no­lo­gi­sche Revo­lu­tion (jähr­lich ≈ 11,2 % Rück­gang der CO2-Inten­si­tät der Pro­duk­tion und ≈ 3,6 % Wachs­tum des Welt-BIP)

Wie ris­kant es aller­dings ist, allein auf eine tech­no­lo­gi­sche Revo­lu­tion zu set­zen und am Ziel eines unver­än­dert hohen Wirt­schafts­wachs­tums fest­zu­hal­ten, zei­gen die nächs­ten bei­den Abbil­dun­gen zu den Sze­na­rien 5 und 6. Wenn die CO2-Inten­si­tät statt mit 11,2 % pro Jahr nur mit ca. 9,4 % pro Jahr sinkt, wäre bei einem durch­schnitt­li­chen BIP-Wachs­tum von 3,6 % das glo­bale CO2-Bud­get schon um 2040 erschöpft (Abb. 5). Eine Absen­kung der CO2-Emis­sio­nen im Rah­men des glo­ba­len CO2-Bud­gets bis 2050 würde dann höchs­tens eine jähr­li­che Wachs­tums­rate des glo­ba­len BIP von 1,6 % zulas­sen (Abb. 6). Das Welt-BIP würde dann bis 2050 nicht auf etwa 290 % des heu­ti­gen Niveaus stei­gen (Abb. 5), son­dern „nur“ etwa auf etwa 160 % (Abb. 6).

Abb. 5: Sze­na­rio 5: Unzu­rei­chende tech­no­lo­gi­sche Revo­lu­tion (jähr­lich ≈ 9,4 % Rück­gang der CO2-Inten­si­tät der Pro­duk­tion und ≈ 3,6 % Wachs­tum des Welt-BIP)

Abb. 6: Sze­na­rio 6: Lang­sa­me­res Wachs­tum und tech­no­lo­gi­sche Revo­lu­tion (jähr­lich ≈ 9,4 % Rück­gang der CO2-Inten­si­tät der Pro­duk­tion und ≈ 1,6 % Wachs­tum des Welt-BIP)

Sze­na­rio jährl. glo­ba­les BIP-Wachstum jährl. Rück­gang der
der CO2-Inten­si­tät der Produktion
CO2-Bud­get (bei 1,5 Grad-Ziel) über­schrit­ten ab Jahr
Sze­na­rio 1: „Busis­ness as usual“ 3,6 % 2 % 2031
Sze­na­rio 2: Glo­ba­les Nullwachstum 0 % 2 % 2033
Sze­na­rio 3: Schrump­fung auf vor­in­dus­tri­el­les Niveau - 6 % 2 % 2049*
Sze­na­rio 4: Tech­no­lo­gi­sche Revolution 3,6 % 11,2 % 2051*
Sze­na­rio 5: Unzu­rei­chende tech­no­lo­gi­sche Revolution 3,6 % 9,4 % 2040
Sze­na­rio 6: Lang­sa­me­res Wachs­tum und tech­no­lo­gi­sche Revolution 1,6 % 9,4 % 2050*
* CO2-Emis­sio­nen annä­hernd bei null.
Tabelle 1: Die sechs Sze­na­rien im Über­blick. Anmer­kung: Unsere ver­ein­fa­chende Annahme eines kon­stan­ten jähr­li­chen pro­zen­tua­len Rück­gangs der CO2-Inten­si­tät bedeu­tet, dass die CO2-Emis­sio­nen sich lang­fris­tig nur der Null­li­nie annä­hern kön­nen, aber nie­mals voll­stän­dig auf Null sin­ken wer­den. In der Rea­li­tät wären jedoch sogar nega­tive agg­re­gierte Emis­sio­nen mög­lich und wahr­schein­lich not­wen­dig, um das CO2-Bud­get einzuhalten.

„Decoupling“ und „Degrowth“ müssen kein Widerspruch sein

Die mit Hilfe unse­res Online-Tools durch­ge­spiel­ten Sze­na­rien machen mit Hilfe von rein logi­schen Zusam­men­hän­gen und ein­fa­chen, wohl kaum kon­tro­ver­sen Annah­men klar, wie groß die Her­aus­for­de­rung der nächs­ten Jahre sein wird. Auf Basis die­ser logi­schen und natur­wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nisse muss eine gesell­schaft­li­che Aus­ein­an­der­set­zung über den geeig­ne­ten Umgang mit die­ser Her­aus­for­de­rung gefun­den wer­den, die natur­ge­mäß kon­tro­vers aus­fal­len wird.

Ein deut­li­ches und kon­ti­nu­ier­li­ches Nega­tiv­wachs­tum dürfte auf glo­ba­ler Ebene kaum eine rea­lis­ti­sche und wün­schens­werte Option sein: Viel­mehr müs­sen eine Absage an die schmut­zi­gen Indus­trien des letz­ten Jahr­hun­derts und die För­de­rung nach­hal­ti­ger Tech­no­lo­gien und Unter­neh­men des 21. Jahr­hun­derts ins Zen­trum der Wirt­schafts- und Kli­ma­po­li­tik gestellt werden.

Eine sol­che Trans­for­ma­tion wird aber soziale Span­nun­gen her­vor­ru­fen: Beschäf­tigte aus kli­ma­schäd­li­chen Indus­trien müs­sen von einem umfas­sen­den Netz sozia­ler Siche­rung auf­ge­fan­gen wer­den und neue Beschäf­ti­gungs­per­spek­ti­ven haben.

Dies muss von einer brei­ten Bereit­stel­lung nach­hal­ti­ger öffent­li­cher Güter und einer fai­re­ren Ver­tei­lung von Ein­kom­men und Ver­mö­gen flan­kiert wer­den. Nur so kön­nen Spi­ra­len aus pro­fit­ge­trie­be­ner Umwelt­zer­stö­rung und sta­tus­ori­en­tier­tem Kon­sum­wett­be­werb in unse­ren Gesell­schaf­ten been­det werden.

Gleich­zei­tig muss ein kul­tu­rel­ler Wan­del auch im Klei­nen statt­fin­den: Lebens­wei­sen, Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten und Rei­se­ver­hal­ten müs­sen stär­ker auf ihre öko­lo­gi­sche Ver­träg­lich­keit aus­ge­rich­tet sein.

Eine Ver­lang­sa­mung des all­ge­mei­nen BIP-Wachs­tums kann die Not­wen­dig­keit die­ser tech­no­lo­gi­schen, wirt­schaft­li­chen und kul­tu­rel­len Trans­for­ma­tion nicht ver­hin­dern, aber sie könnte unter­stüt­zend wir­ken. Ins­be­son­dere hoch­ent­wi­ckelte Volks­wirt­schaf­ten könn­ten hier einen Bei­trag leis­ten und über eine Absen­kung der Arbeits­zeit pro Per­son trotz­dem einen hohen Beschäf­ti­gungs­stand sichern.

Die­ser Bei­trag wurde nach­träg­lich in leicht über­ar­bei­te­ter Fas­sung auf makronom.de ver­öf­fent­licht.

Kurz zusammengefasst

Das Online-Tool „Decou­pling or degrowth?” kann genutzt wer­den, um den Zusam­men­hang zwi­schen CO2-Emis­sio­nen und Wirt­schafts­wachs­tum zu ver­deut­li­chen. Anwender*innen kön­nen hier unter ande­rem Annah­men bezüg­lich der Ent­wick­lung des Brut­to­in­lands­pro­dukts (BIP) und der CO2-Inten­si­tät der Pro­duk­tion tref­fen und hier­aus resul­tie­rende Zukunfts­sze­na­rien visua­li­sie­ren. Anhand von sechs Sze­na­rien zei­gen Franz Prante und Till van Tre­eck, in wel­chem Jahr das mit dem 1,5 Grad-Ziel zu ver­ein­ba­rende glo­bale CO2-Bud­get jeweils erschöpft wäre, wenn man ver­schie­dene Pfade zur Ent­wick­lung des glo­ba­len Wirt­schafts­wachs­tums und der CO2-Inten­si­tät der Pro­duk­tion vor­gibt. Es wir deut­lich, dass weder „Decou­pling“ noch „Degrowth“ für sich allein genom­men ziel­füh­rend sind. Viel­mehr muss die Haupt­last der Anpas­sung zur Errei­chung der Kli­ma­ziele durch eine tech­no­lo­gi­sche Revo­lu­tion getra­gen wer­den –  bei gleich­zei­ti­ger Ände­rung der mensch­li­chen Lebens­wei­sen und somit gerin­ge­rem Wachstum.