Dekarbonisierung im Gebäudesektor: Nachhaltige Sanierung, soziale Gerechtigkeit und effektive Fördermodelle als Schlüssel zur Klimaneutralität und inklusiven Transformation.
Die Dekarbonisierung des Gebäudesektors stellt einen zentralen Pfeiler für Deutschlands Weg zur Klimaneutralität dar. Gebäude sind nicht nur für einen erheblichen Anteil der CO₂-Emissionen verantwortlich, sondern bieten auch ein großes Potenzial für Einsparungen und Effizienzsteigerungen. Unsere aktuelle ifso expertise hebt mehrere Schlüsselaspekte hervor, die für eine erfolgreiche und sozial gerechte Transformation der Gebäudeinfrastruktur unerlässlich sind. Der Code auf dem unsere Ergebnisse beruhen ist auf GitHub veröffentlicht. Neben Transparenz soll dadurch ermöglicht werden, ähnliche Studien für andere Länder durchzuführen.
Die Autor*innen

Jakob Kapeller ist Professor und geschäftsführender Direktor am ifso. Zudem leitet er das Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft (ICAE). Schwerpunkte: Ökonomischer und sozialer Wandel und Plurale Ökonomik.
Anna Hornykewycz ist Ökonomin am Linz Institute for Transformative Change und dem Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz.
Jan David Weber ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozioökonomie.
Eine sozial-ökologische Transformation des Gebäudesektors
Eine gelungene sozial-ökologische Transformation hin zu einer dekarbonisierten Wirtschaft benötigt breite gesellschaftliche Unterstützung um die entsprechenden Politikmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Dabei spielen auch verteilungspolitische Überlegungen eine wesentliche Rolle – die Frage, wer die Kosten einer solchen Transformation trägt und wer von entsprechenden Politikmaßnahmen profitiert sollte im Sinne der Grundidee einer ‚just transition‘ nicht ausgeklammert werden.
Gerade im Gebäudesektor ist es machbar, soziale Gerechtigkeit und Dekarbonisierungsstrategien gemeinsam zu denken um eine nachhaltige und inklusive Zukunft zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund versucht unsere Studie nicht nur, die technischen und finanziellen Bedarfe einer Transformation des Gebäudesektors zu bestimmen, sondern entwickelt in diesem Zuge auch ein verteilungssensitives Finanzierungsmodell. Konkret wird vorgeschlagen, etwaige finanzielle Förderungen für die Sanierung von Eigenheimen vermögensabhängig zu gestalten und Maßnahmen zu ergreifen, die verhindern, dass Sanierungskosten einseitig auf Mieter*innen überwälzt werden. So wird zum einen sichergestellt, dass das Vermögen der reichsten Haushalte nicht durch öffentliche Förderungen weiter subventioniert wird. Zum anderen wird so dem Umstand Rechnung getragen, dass (vermögens)ärmere Haushalte oft in energetisch ineffizienten Gebäuden leben.
Wie lässt sich der deutsche Gebäudesektor dekarbonisieren?
Um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, ist eine drastische Reduktion der Emissionen im Gebäudesektor notwendig. Dies erfordert gezielte Sanierungsmaßnahmen, die auf eine Steigerung der Energieeffizienz und einen Austausch fossiler Heizsysteme fokussieren. Durch diese Maßnahmen können erhebliche Mengen an Treibhausgasen eingespart und so ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der EU-Klimaziele geleistet werden.
Die Studie zeigt, dass die aktuelle Sanierungsrate von circa 1.5% der deutschen Gebäude nicht ausreicht, in absehbarer Zeit die selbst-gesteckten Sektorziele der Bundesregierung im Bereich der Wohngebäude zu erreichen. Unseren Berechnungen zufolge können die Klimaziele bis 2050 nur dann erreicht werden, wenn die Sanierungsrate zumindest verdoppelt wird und die Energieerzeugung für die Wärmegewinnung vollständig dekarbonisiert wird. Um nicht nur das langfristige Klimaziel zu erreichen, sondern auch den Klimapfad einzuhalten, ist eine Priorisierung der Sanierung von schlecht isolierter Hauser gegenüber moderneren Bestandsgebäuden notwendig.

Maßnahmen zur Umsetzung der Transformation
Um die Transformationsbemühungen im Gebäudesektor zu stärken bietet es sich an, die Koordination, Finanzierung und Ausbildung für bestehende Handwerksunternehmen zu unterstützen – etwa durch staatlich geförderte Kredite oder Ausbildungsinitiativen. So können bestehende Kapazitäten auszuweiten oder besser zu nutzen. Ein wichtiger Teil einer Transformation im Gebäudesektor ist es aber, den besonders ressourcenintensiven und ökologisch problematischen Neubau so weit wie möglich einzuschränken und durch die Sanierung bestehender Gebäude zu ersetzen. Dass der Großteil der bestehenden Kapazitäten im Bausektor im Neubau konzentriert ist, zeigt bereits an, dass der Bausektor grundsätzlich über ausreichend Potential für eine großflächige Sanierungsoffensive verfügt.
Ein weiterer unterstützender Aspekt ist die transparente und realistische Kostenberechnung für Sanierungen. Eine Vollkostenrechnung, die die tatsächlichen Kosten ohne Berücksichtigung zukünftiger Einsparungen abbildet, hilft, die kurzfristigen anfallenden Investitionskosten für die betroffenen Haushalte realitätsnah abzubilden. Dies reduziert Unsicherheiten und ermöglicht eine fundierte Planung und Finanzierung.
Wie geht es weiter?
Insgesamt zeigen wir in unserer Studie, dass die Dekarbonisierung des Gebäudesektors eine wesentliche Schnittstelle zur Erreichung der gesamtgesellschaftlichen Klimaziele darstellt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen und Strategien sind darauf ausgelegt, eine nachhaltige und gerechte Transformation zu ermöglichen, die sowohl wirtschaftlich effizient als auch sozial ausgewogen ist. Nur durch eine kooperative und gut koordinierte Anstrengung aller Beteiligten kann das ambitionierte und notwendige Ziel eines CO2-neutralen Gebäudesektors in Deutschland erreicht werden.
Kurz zusammengefasst
Die Dekarbonisierung des Gebäudesektors ist essenziell für Deutschlands Klimaneutralität. Gebäude verursachen hohe CO₂-Emissionen, bieten jedoch großes Einsparpotenzial. Die Studie betont eine sozial-ökologische Transformation mit vermögensabhängigen Förderungen, um soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten und Mieter*innen zu schützen. Erforderlich sind verdoppelte Sanierungsraten, energetische Gebäudesanierungen und der Verzicht auf ressourcenintensiven Neubau. Staatliche Kredite, Ausbildungsoffensiven und transparente Kostenberechnungen sollen die Umsetzung erleichtern. Nur durch koordinierte Anstrengungen kann ein CO₂-neutraler Gebäudesektor bis 2050 erreicht werden.