Mit einem soge­nann­ten Copula-Modell lässt sich schät­zen, mit wel­cher Wahr­schein­lich­keit ein Land in einem sozia­len und öko­lo­gisch nach­hal­ti­gen Zustand ist. Dar­aus lässt sich ablei­ten, wo die Poten­tiale für Nach­hal­tig­keit ver­schie­de­ner Län­der­grup­pen liegen.

S

oziale und öko­lo­gi­sche Nach­hal­tig­keit gehen Hand in Hand. Die­ses Gefüge zu ver­ste­hen, zu ermög­li­chen und zu sta­bi­li­sie­ren erfor­dert eine dif­fe­ren­zierte Ana­lyse ihrer gegen­sei­ti­gen Abhän­gig­keit. Es gilt nega­ti­ven Mul­ti­pli­ka­ti­ons­ef­fek­ten vor­zu­beu­gen und Syn­er­gien zu nut­zen. Der kom­plexe Zusam­men­hang wird in der Lite­ra­tur in unter­schied­lichs­ter Weise theo­re­tisch dis­ku­tiert sowie empi­risch ana­ly­siert. Ein dif­fe­ren­zier­tes Ver­ständ­nis der gemein­sa­men Abhän­gig­keit erfor­dert eine sys­te­ma­ti­sche empi­ri­sche Analyse.

In der Lite­ra­tur fun­gie­ren Ein­kom­mens­un­gleich­heit und CO2-Emis­sio­nen als Proxy für soziale und öko­lo­gi­sche Nach­hal­tig­keit. Es gibt Hin­weise auf Syn­er­gien, Trade-offs oder Unab­hän­gig­keit zwi­schen den bei­den Grö­ßen. Kau­sale Zusam­men­hänge sind bei die­ser kom­ple­xen Bezie­hung schwer fest­stell­bar, was impli­ziert, dass empi­ri­sche Modelle eine klare Zuwei­sung offen­las­sen müs­sen und den Zusam­men­hang fle­xi­bel ana­ly­sie­ren soll­ten. Mög­li­che Ein­fluss­fak­to­ren kön­nen hier einen detail­lier­te­ren Auf­schluss über den Zusam­men­hang geben.

Die Autorinnen

Fran­ziska Dorn ist Post­Doc am Insti­tut für Sozioökonomie.

For­schungs­in­ter­es­sen: mea­su­ring living stan­dards, time and income poverty, the inter­lin­k­ages of social and eco­lo­gi­cal sus­taina­bi­lity, regres­sion bey­ond the mean, dis­tri­bu­tio­nal copula models

Simone Maxand ist Juni­or­pro­fes­so­rin für Sta­tis­tik an der Europa-Uni­ver­si­tät Via­drina in Frank­furt (Oder).

For­schungs­in­ter­es­sen: Time Series Ana­ly­sis, Theo­re­ti­cal Statistics/Econometrics, Cli­mate Eco­no­me­trics, Quan­ta­tive Sustainability

Eine neue sta­tis­ti­sche Methode, die Ver­tei­lungs­re­gres­sio­nen in Copula-Modelle inte­griert, ermög­licht uns diese kom­ple­xen Abhän­gig­keits­struk­tu­ren zu erken­nen. Hier­bei wer­den Ein­fluss­fak­to­ren – wie poli­ti­sches Sys­tem eines Lan­des, die Struk­tur der Öko­no­mie, Ener­gie­mix und das Ein­kom­men – in nicht linea­rer Form berück­sich­tigt. Um das Errei­chen einer nach­hal­ti­gen Gesell­schaft zu mes­sen, müs­sen Richt­werte für Ungleich­heit und CO2-Aus­toß gesetzt wer­den. Basie­rend auf sol­chen Wer­ten kön­nen Ver­tei­lungs-Copula-Modelle die Wahr­schein­lich­keit berech­nen in die­sen bidi­men­sio­na­len sozia­len und öko­lo­gisch nach­hal­ti­gen Bereich zu kommen.

Verteilungs-Copula als ein geeignetes Werkzeug

Die Abhän­gig­keits­struk­tur von sozia­len und öko­lo­gi­schen Aspek­ten genauer zu unter­su­chen ermög­licht Pro­zesse hin zu mehr Nach­hal­tig­keit zu iden­ti­fi­zie­ren. Diese Abhän­gig­keit kann über die Ein­fluss­fak­to­ren hin­weg vari­ie­ren, d.h. zum Bei­spiel kann es vom Ein­kom­mens­le­vel eines Lan­des abhän­gen wie sich soziale und öko­lo­gi­sche Fak­to­ren bedin­gen. Stan­dard­mä­ßige lineare Regres­sio­nen mit nur einer abhän­gi­gen Ziel­größe ver­de­cken ein sol­ches detail­lier­tes Bild des Zusam­men­hangs, da die Abhän­gig­keits­struk­tu­ren aus­ge­mit­telt wer­den. Genauer gesagt, es wer­den Regres­sio­nen im Mit­tel ver­wen­det, um zum Bei­spiel den Effekt von Ungleich­heit auf Emis­sio­nen oder vice versa zu unter­su­chen. Unsere Stu­die unter­sucht im Gegen­satz dazu die Abhän­gig­keit im biva­ria­ten Vek­tor der Ungleich­heit und Emis­sio­nen bedingt auf Einflussfaktoren.

Ver­tei­lungs-Copula-Modelle rücken die Ver­tei­lung und Abhän­gig­keit von sozia­ler und öko­lo­gi­scher Nach­hal­tig­keit in den Fokus. Gra­fik 1 zeigt eine sche­ma­ti­sche Dar­stel­lung einer sol­chen biva­ria­ten Ver­tei­lung. Die Copula stellt die bedingte Abhän­gig­keits­struk­tur inner­halb die­ses biva­ria­ten Vek­tors von sozia­ler und öko­lo­gi­scher Nach­hal­tig­keit dar.

Die ein­ge­baute Ver­tei­lungs­re­gres­sion ermög­licht die Ana­lyse von nicht­li­nea­ren Bezie­hun­gen zwi­schen mög­li­chen Ein­fluss­fak­to­ren (wie den makro­öko­no­mi­schen Bedin­gun­gen eines Lan­des) und der Abhän­gig­keit von Emis­sio­nen und Ungleich­heit (dies beschreibt also die Bezie­hung zwi­schen den Krei­sen in der Gra­phik und ande­ren Ein­fluss­fak­to­ren). Die­ser neue Ansatz erlaubt es die Wahr­schein­lich­kei­ten zu schät­zen, mit denen ein Land, bedingt auf die vor­herr­schen­den Ver­hält­nisse, in einem sozia­len und öko­lo­gisch nach­hal­ti­gen Zustand ist (in Gra­fik 1 ent­spricht dies der lin­ken unte­ren Ecke, dem SES Space).

Gra­fik 1: Sche­ma­ti­sche Dar­stel­lung der biva­riate Ver­tei­lung von GINI und CO2-Emis­sio­nen: Posi­ti­ver Zusam­men­hang mit asym­me­tri­scher Ver­tei­lung (gelb), nega­ti­ver sym­me­tri­scher Zusam­men­hang (cyan) und ent­kop­pelt (rot); poten­ti­ell sozial und öko­lo­gisch nach­hal­ti­ger Bereich (SES) für nied­rige Werte von CO2-Emis­sio­nen und GINI. Gra­fik über­nom­men aus unse­rem Paper.

In unse­rer Stu­die wen­den wir das Modell auf einen Panel-Daten­satz von 1960 bis 2019 mit 154 Län­dern an. Soziale Nach­hal­tig­keit mes­sen wir anhand des ein­fluss­rei­chen Ein­kom­mens­un­gleich­heits­ma­ßes Gini, wäh­rend öko­lo­gi­sche Nach­hal­tig­keit durch ein kon­sum­ba­sier­tes Maß für CO2 gemes­sen wird, wel­ches die Nut­zung der glo­ba­len CO2 Emis­sio­nen unter Berück­sich­ti­gung der räum­li­chen Tren­nung von Pro­duk­tion und Kon­sum bestimmt. Für die Defi­ni­tion eines mög­li­chen sozial und öko­lo­gisch nach­hal­ti­gen Bereichs schla­gen wir Grenz­werte für den GINI Index und CO2 Emis­sio­nen vor. Wie in unse­rem Paper dis­ku­tiert lie­gen diese bei einem GINI Wert von 25.7 und einem Car­bon Wert von 0.5 MT-CO2.

Potentiale für eine nachhaltige Zukunft

Die Ana­lyse wurde für Län­der hohen, mitt­le­ren und nied­ri­gem Ein­kom­mens sepa­rat durch­ge­führt, um für Unter­schiede in den Län­der­grup­pen zu kon­trol­lie­ren, die stark mit dem Ener­gie­ver­brauch zusam­men­hän­gen. Unsere Ana­lyse der Bezie­hung zwi­schen CO2 Emis­sio­nen und Ein­kom­mens­un­gleich­heit zeigt vier Hauptresultate:

1.

Die Abhän­gig­keits­struk­tur zeigt im Mit­tel Trade-offs in Län­dern nied­ri­gen und mitt­le­ren Ein­kom­mens und eine Ent­kopp­lung in Län­dern hohen Ein­kom­mens. Die Bezie­hung im Mit­tel zu betrach­ten ist kaum aus­sa­ge­kräf­tig oder sogar fehl­lei­tend, da die Stärke der Abhän­gig­keit inner­halb der Län­der­grup­pen stark variiert.

2.

Ein star­ker Ser­vice­sek­tor inten­si­viert die Abhän­gig­keits­struk­tur in rei­chen Län­dern, wäh­rend er zu einer Reduk­tion des Zusam­men­hangs in armen und Schwel­len­län­dern führt. Dar­aus ist abzu­lei­ten, dass die Trans­for­ma­tion zu einer Ser­vice Sek­tor-basier­ten Öko­no­mie keine direkte Lösung für eine öko­lo­gisch und soziale Nach­hal­tig­keit ist. Zu beach­ten ist, dass der Ser­vice­sek­tor eine breite Kate­go­rie ist und eine detail­lier­tere Ana­lyse erfordert.

3.

Das Abkop­peln von fos­si­len Ener­gien hängt mit einer höhe­ren Ein­kom­mens­gleich­heit in rei­chen Län­dern zusam­men. Wir ermit­teln einen umge­kehr­ten Effekt in Län­dern mitt­le­ren und nied­ri­gen Ein­kom­mens, was eine hohe Abhän­gig­keit von CO2-Emis­sio­nen für den Ent­wick­lungs­pro­zess widerspiegelt.

4.

In allen Län­der­grup­pen konn­ten wir nur für eine Reduk­tion des Ser­vice­sek­tors und der simul­ta­nen Reduk­tion des Anteils fos­si­ler Ener­gie eine posi­tive Wahr­schein­lich­keit ermit­teln in den Bereich für Nach­hal­tig­keit zu fallen.

Dorn, F., Maxand, S., & Kneib, T. (2024). The non­linear depen­dence of income ine­qua­lity and car­bon emis­si­ons: Poten­ti­als for a sus­tainable future. Eco­lo­gi­cal Eco­no­mics216, 108016.